Postgeschichte ist der Teil der philatelistischen Welt, die sich mit den Eigenschaften des intakten Postguts auseinander setzt. Postgeschichte genügt es nicht, sich mit isolierten Komponenten wie einer aufgeklebten Briefmarke oder einem abgeschlagenem Stempel zu beschäftigen. Postgeschichte wird erst dann interessant, wenn das Gesamtbild aus Frankatur und Stempeln, aus verwendetem Tarif und beschrittenem Leitweg als Ganzes betrachtet werden kann. Noch einen Schritt weiter geht die ‚Social Philately‘, die eine Briefumschlag oder eine Postkarte - auch wenn intakt und komplett - erst einmal als Trägermedium der Nachricht sieht, für die der Brief und die Karte überhaupt geschrieben und versendet wurde.
Joachim Helbig hat in seinem Beitrag zum Thema ‚Wege zur Postgeschichte‘ in der ‚Postgeschichte‘ Nr. 50 vom Mai 1992 postgeschichtliches Sammeln folgendermassen beschrieben:
[Zitat Anfang]
1. Man braucht eine Idee:
Mit dem Entschluss zu einer postgeschichtlichen Sammlung nimmt man gleichzeitig Abschied von den ausgefahrenen Geleisen, die Katalognummern vorgeben. Man muss sich selbst eine Thematik suchen, die Wege zu ihrer Realisierung auskundschaften und überzeugend präsentieren. Kataloge sagen eindeutig, was man braucht, um eine gute Sammlung zu besitzen. Diese Sicherheit bedeutet aber auch Langeweile. Postgeschichte erfordert eigenständige Überlegungen und Anstrengungen, ist aber dafür spannend und interessant. Man muss als Postgeschichtler nicht unbedingt originell sein, man kann sich auch an den Ideen anderer orientieren.
2. Man braucht Informationen:
Mit notwendigen Informationen sind geschichtliche Kenntnisse über die gewählte Periode, vor allem aber Kenntnisse der jeweiligen Postverordnungen und Verträge gemeint. Bei dem heutigen Stand der Forschung gibt es erst einige wenige Bereiche der älteren Postgeschichte, die durch Literatur erschlossen sind. Aber Postgeschichte ist nicht auf das 18. oder 19. Jahrhundert begrenzt. Postgeschichte beginnt sozusagen gestern. Wer sich um die Aufarbeitung der aktuellen postalischen Situation kümmert, erspart sich viele Schwierigkeiten, die bei der Beschäftigung mit dem 19. Jahrhundert auftreten. Diese Probleme resultieren aus den grundlegend anders organisierten Postsystemen. Die Postgeschichte wird verständlich, wenn man die Logik des jeweiligen Postsystems kennt und mit den politisch-geschichtlichen Zusammenhängen verbindet.
Postgeschichtler unterscheiden sich von herkömmlichen Philatelisten eigentlich nur dadurch, dass sie zu ihren Belegen eine (die) Geschichte erzählen.
Die Beschaffung des Informationsmaterials, um diese Geschichte(n) erzählen zu können, ist in der Tat das eigentliche Problem. Die notwendigen Archivmaterialien sind weitgehend noch unerschlossen, Postverträge und Postverordnungen sind erst spärlich veröffentlicht und für den Anfänger nur schwerlich benutzbar. Grundsätzlich gibt es zwei Wege zur postgeschichtlichen «Arbeit»:
den induktiven Weg (vom besonderen Einzelstück auf das Allgemeine schliessen) und
den deduktiven Weg (vom Allgemeinen auf das Einzelstück schliessen).
Es ist unzweifelhaft, dass eine fruchtbare Arbeit nur in einer Kombination beider Wege zustande kommt. Die meisten postgeschichtlich Interessierten befinden sich aber in der Situation, dass sie zwar über Briefmaterial verfügen, aus dem allgemeine Schlüsse gezogen werden könnte, oder einfacher gesagt, mit dem Geschichte(n) (induktiv) erzählt werden könnte(n). Aber dieser Weg ist doch sehr mühsam, zeitraubend und auf Dauer entmutigend. Deshalb ist die Beschaffung von Postverträgen und Postverordnungen (deduktives Material) und deren Aufarbeitung unumgänglich. Ich sehe die Aufgabe der älteren Postgeschichte gerade darin, diese Materialien Zug um Zug bereitzustellen.
[Zitat Ende]
Gehen wir hier mal den induktiven Weg. Dies mögen die nachfolgenden zwei Briefe dokumentierten.
1. Frankatur und Stempel auf einem Brief sagen etwas über den zurückgelegten Weg, die Bedeutung der beteiligten Postämter und damit die lokale Postorganisation aus.
Brief von Someo über Bignasco nach Sornico, alle im oberen Maggiatal im Kanton Tessin gelegen, versandt im November 1866. Die Franaktur mit einer ‚Sitzenden Helvetia‘ wurde entgegen der Bestimmungen mit einem sogenannten Strahlenstempel der Postablage Someo entwertet.
Dieser relativ simple Brief beantwortet eine ganze Reihe von Fragen aus den Gebieten der Tarife und Frankaturen wie auch der Stempelkunde:
Was hat das gekostet? Fünf Rappen betrug der sogenannte Lokaltarif für einen Brief bis 10 Gramm und bis zu einer Entfernung von zwei Wegstunden oder 9,6 Kilometer. Wäre der Brief nicht bis zum Talschluss nach Sornico gegangen, sondern das Tal runter nach Locarno, hätte der Absender zehn Rappen zahlen müssen, den Tarif für die gesamte Schweiz über zwei Wegstunden. Der Tarif war somit entfernungs- und gewichtsabhängig, ein Prinzip das auch heute noch angewendet wird.
Auch bei der zweiten Frage geht es ums liebe Geld. Wer bezahlt denn den Transport? In diesem Fall eines sogenannten Frankobriefes eindeutig der Absender, der die Marke aufgeklebt hat. Im Lokaltarif hätte auch der Empfänger bei Erhalt des Briefes dem Pöstler den Transport mit fünf Rappen bezahlen können. Bei einem solchen Portobrief wäre das Porto also identisch gewesen, unabhängig davon, ob Absender oder Empfänger bezahlt. Bei einem gedachten Brief von Someo nach Locarno aber hätte der Absender zehn Rappen, der Empfänger hingegen 15 Rappen zahlen müssen.
Dies beantwortet direkt die nächste Frage. Wie bezahlt man denn das Porto? Im Voraus mit Briefmarken oder anderen ‚Wertzeichen‘, sei es heute ein Freistempler oder eine nicht physische SMS-Briefmarke, alternativ im Nachhinein mit einem erhöhten Portosatz bar durch den Empfänger.
Die Stempelkunde kommt bei der nächsten Frage ins Spiel. Welche Aussage über die Verarbeitung dieses Briefes kann man aus den abgeschlagenen Stempeln ziehen? Der Strahlenstempel von Someo tägt kein Datum. Rein von der Geographie her muss der Brief von der Postablage Someo stammen, lief auf halbem Wege durch das ‚richtige‘ Postamt Bignasco, das auch einen Datumsstempel hatte, hoch bis nach Sornico. Die unterschiedlichen Typen von Stempeln spiegeln auch die unterschiedliche Funktion der Poststellen wieder. Die Postablage Someo hat die Briefmarke verkaufen dürfen und hätte seine Strahlenstempel eigentlich nur neben die Marke setzen dürfen, um klar zu machen, woher der Brief stammt. Die eigentliche Verarbeitung und Entwertung des Briefmarke hätte erst im ‚richtigen‘ Postamt in Bignasco stattfinden dürfen.
Kommen wir zur Frage des eingeschlagenen Weges. Was sagt dieser Brief über den Weg aus? Der Weg in einem Tal ist klar definiert, ohne Alternative und damit nicht sehr spannend.
2. Frankatur und Stempel auf einem Brief sagen etwas über den zurückgelegten Weg, die beteiligten Postverwaltungen und deren Anteil an dem bezahlten Porto aus.
Brief mit sogenanntem P.P. Teilfranko von Zürich über Calais & Liverpool nach New York, versandt im November 1856.
Anders als beim ersten Brief steht hier zunächst folgende Frage im Vordergrund: Was sagt dieser Brief über den Weg aus? Bei einem Brief aus der Schweiz über den Atlantik gibt es hier natürlich mehrere Optionen, die im Jahr 1856 als Übereinkunft der verschiedenen möglichen Postverwaltungen in Postverträgen definiert werden mussten. Gewählt wurde der Weg über Frankreich, diese Übergabe von der schweizerischen an die französische Postverwaltung wird durch den französischen Grenzübergangsstempel „SUISSE St. LOUIS“ dokumentiert, der weitere Weg wird dann nicht durch einen Stempel, sondern den sogenannten handschriftlichen Leitvermerk „via Liverpool“ festgelegt. Mit britischem Schiff ging es nach New York.
Und wer bezahlte das alles? Bei einem Weg aus der Schweiz über Frankreich und mit einem britischen Schiff in die USA waren also vier Postverwaltungen involviert und jede wollte für ihre Dienste bezahlt werden. Obwohl sich auf dem Brief drei Freimarken der sogenannten Strubel-Ausgabe im Wert von 135 Rappen finden, reichte dies nicht aus, um als vollständiger Frankobrief komplett bis zum Empfänger bezahlt zu werden. Es handelt sich um einen sogenannten Teilfrankobrief. Der Absender zahlte das Porto so weit, wie es ihm die Postverträge der Schweiz mit Frankreich und dessen Postverträge mit England erlaubten, nämlich bis zu dem Hafen, in dem das britische Schiff anlegte, hier also New York. Bis zum Hafen von New York haben wir also einen vorausbezahlten Frankobrief vor uns, für das Stück vom Hafen zum Empfänger musste dieser 5 Cents bezahlen, das amerikanische Inlandsporto. Auf diesem Stück haben wir also einen Portobrief vor uns.
Wie wussten die verschiedenen Postverwaltungen welche Anteile des Transports bereits bezahlt waren? Der schweizer Postbeamte in Zürich kassierte vom Absender im Voraus das Porto bis zum Hafen in New York. Jetzt musste er nur seinen Kollegen in Frankreich, Grossbritannien und den USA klar machen, das er das Geld schon bekommen hat und das sie es nicht nochmal vom Empfänger einkassieren. Er markierte dies mit einem sogenannten Nebenstempel, also einem Stempel, der keine Information über einen Ort oder ein Datum enthielt, sondern eine Anweisung zur Behandlung oder Abrechnung darstellt. In diesem Falle sind es die Stempel PD im Kästchen (unter der ‚5‘) und PP. Der PD-Stempel wurde zunächst fälschlicher weise abgeschlagen, denn er besagt, dass der Absender den Brief komplett franko bis zum Empfänger gezahlt hat. Er wurde durch den Stempel PP ersetzt, also Bezahlung bis zum Hafen.
Wie wurden die Portoanteile für die verschiedenen Postverwaltungen abgerechnet? Bei einem zumindestens teilweise vorausbezahltem Brief kassierte jede Postverwaltung ihren Teil und gab den Rest des Portos an die nächste Postverwaltung weiter. Die Schweiz behielt ihren Teil und gab an Frankreich die Anteile für Frankreich und England weiter, Frankreich gab an England dessen Teil mit dem Brief weiter. Bei einem unbezahlten Portobrief wäre es genau umgekehrt gelaufen. Die Schweiz hätte den Brief an Frankreich ‚verkauft‘ und von dort ihren Anteil erhalten, Frankreich hätte diesen Anteil zu seinem Anteil addiert und zusammen von England bekommen und so weiter bis zum Empfänger, der die aufadierten Anteile aller bisherigen Postverwaltung plus dem amerikanischen Inlandsporto an die amerikanische Post zahlen musste.
Welche interessanten Stempel gibt es denn noch auf diesem Brief? Im Hafen von New York fand der Wechsel vom Franko- zum Portobrief statt und ein genialer amerikanischen Stempel dokumentiert dies, wobei er gleich vier Informationen enthielt: Wo wurde er abgeschlagen (N. YORK), wie kam der Brief an (BR. PKT., also britisches Schiff), wann kam er an (DEC 12) und was kriegen wir noch vom Empfänger (‚5‘ cents). Wir sehen also eine Kombination aus Datumsstempel, Routenstempel und Taxierungsstempel. Es gibt aber noch eine anderen, eher unauffälligen Unterschied zum ersten Brief. Das ist der sogenannte Entwertungsstempel, die eidgenössische Raute, der keinen Informationsgehalt besass, er sollte nur die Freimarken entwerten. Derartige Stempel finden sich bei Postverwaltungen weltweit bis in die 1860er Jahre.
Diese beiden Briefe zeigen, warum Postgeschichte so faszinierend ist. Die Marken auf den Briefen alleine wie auch die Stempelabschläge haben nahezu keine Aussagekraft. Erst der intakte, komplette Brief kann eine derart interessante Geschichte erzählen, wie diese beiden Briefe es tun. Und es bleibt völlig dem Sammler überlassen, ob ihn mehr die tessiner Täler oder die Dampfer auf dem Atlantik fesseln, oder ob er mehr auf die Tarife und ihre Abhängigkeit von der Reiseroute und damit wiederum deren Abhängigkeit von den zeitgenössischen Transportmöglichkeiten fokussieren will, sei es die Postkutsche, die Eisenbahn oder das Dampfschiff. Jeder nach seinem Geschmack.
Dem ganzen kann man noch mit einem ‚Social Philately‘ eins draufsetzen. Der Brief ging nämlich von Zürich an die Firma von Alfred Escher (1819-1882), einem bekannten schweizer Politiker und wahrscheinlich dem bedeutendsten schweizerischen Wirtschaftsführer seiner Zeit.
Die Vorphilatelie der Schweiz fängt in der alten Eidgenossenschaft an. Diese stellt in Ihrer Form ein lockerer Staatenbund. Diese ist definiert von den ersten Bündnissen im 13/14 Jahrhundert bis zum Einfall der Franzosen 1798 mit dem Beginn der Helvetischen Republik, welche 1803 endete. Der Bundestaat entstand 1850, womit auch die Vorphilatelie endet.Die Vorphilatelie ist Postgeschichte pur. Nur schon der Briefaustausch zwischen Absender und Empfänger war ein Komplexes unterfangen. Die überwiegende Anzahl der Briefe vom 17 bis ins 19. Jahrhundert, wurden bis 1850 unfrankiert versendet. Es bestand oft nicht die Möglichkeit das Porto im Voraus zu bestimmen. Die komplizierten Postverhältnisse der unterschiedlichen Rechteinhaber stellten bei der Berechnung des Porto für Briefen über Staatsgrenzen hinaus, ein teils unmögliches Unterfangen dar. Erst später so ab 19. Jahrhundert konnte man je nach Bestimmungsort auch Barfrankierte Briefe (Vorausbezahltes Porto = FRANCO) versenden. Bedingung war jedoch, dass die zwischenstaatlichen Postverhältnisse der Absender und der Empfangsstelle über einen Postvertrag geregelt waren.
Unfrankierte Briefe aus dieser Zeit beinhalten daher alle Gebühren der einzelnen Posthoheiten und wenn der Brief abgeliefert wurde, zahlte der Empfänger den Endbetrag. So war auch sichergestellt, dass der Brief dem Empfänger überbracht wurde. Die eingezogene Taxe wurde dann rückverteilt, resp. über die Vergütungslisten unter den im Postweg involvierten Postverwaltungen abgerechnet.
Zürich. 20 August 1785, via Basel nach Mariaking im Elsass. Porto von Zürich nach Basel 4 Kreuzer, Basel erhält von Frankreich 6 Kreuzer und Frankreich verlangte vom Empfänger 13 Sols (Rückseitig).
Briefe aus dieser Zeit welche über weitere Strecken versendet wurden und mehrere Staaten und damit meist auch unterschiedliche Posthoheiten durchquerten, verlangen auch einem Spezialisten in Postgeschichte, viel Wissen und schweisstreibende Abklärungen ab. Einerseits muss er die Tarifstrukturen und die Postverhältnisse kennen, andererseits musste er sich im Währungswirrwarr der alleine in der Schweiz, teils knapp 300 unterschiedlichen Währungen auskennen. Er muss auch die Stempel deuten können und die damit verbundenen speziellen Servicedienstleistungen. So kann eine Abstempelung aufzeigen, dass ein Brief (nachfolgende Abbildung) nicht über die normalen Postkutschenkurse gelaufen ist, sondern über eine separate Stafette, transportiert wurden.
Luzern 12. März 1799, vom Kriegsminister in Luzern an die Verwaltungskammer des Kantons Zürich. Roter Stempel « EXTRA COUIRIER» und handschriftlicher Vermerk «trés pressé».
Wurden die Briefe auch noch ins Ausland versendet, wo verschiedene ausländische Währungen involviert waren, kann eine Abklärung schon mal einige Wochen pro Brief in Anspruch nehmen und oftmals sind mehrere Spezialisten, die sich in der Schweizerischen Vereinigung für Postgeschichte zusammengetan haben, mit ihrem Spezialwissen über Teilgebiete gefordert. Auch die Stempel sind nach Ihrer Herkunft zu bestimmen und selbstverständlich müssen oft alle Vermerke analysiert werden. Sie geben meist den Hinweis, welchen Weg der Brief genommen hat. An ausländische Destinationen sind seit der Möglichkeit, Briefe bar bezahlt (im Voraus bezahlt) versenden zu können, häufig auch Teilfrankaturen anzutreffen. Der Brief wurde dann bis zum Postvertraglich abgemachten Punkt, wie Franco Grenze, Ausschiffungshafen oder auch Einschiffungshafen, bar bezahlt. Die Reststrecke musste der Empfänger bezahlen.
Zürich 24. April 1846, nach Rio de Janeiro für Streifband im dritten Gewicht mit bezahltem Porto bis Ausschiffungshafen in Rio (Rückseitig sind 192 Rappen und Rundstempel «Bureau Maritim, Havre» Der Empfänger bezahlte für die Hafengebühr und die Zustellung im Inland und wurde mit 240 Reis belastet. Roter Teilfranko Stempel: «P» im doppelten Quadrat.
Auch scheinbar unfrankierte Briefe, ob nun aus der Zeit der Vorphilatelie oder danach, haben Ihren Charme, vor allem für Heimatsammler sind sie wichtige Sammlungsstücke.
Barfrankierter (Rückseitiger Vermerk) Inland Vorphilatelie-Brief von 1847 aus Colombier/Neuchâtel nach Neuville/Bern. Frontseitig: links unten FRANCO für bezahlt. Neben dem Abgangsstempel der Kreisrunde P.P für Porto bezahlt. Rückseitig: Die vermerkte vorausbezahlte Taxe von 4 Kreuzern für den Briefversand.
Es ist leicht zu erkennen, die Inland Briefe haben oft keine grossen Auffälligkeiten. Sucht man solche Briefe, achten Sie auf das P.P. und auf das FRANCO, als Stempel oder Handschriftlich.
Es geht aber auch auffälliger. Untenstehender Briefe ins Ausland ist dann schon etwas augenfälliger., alle Stempel in rot, es gilt die gleiche Vorgehensweise. P.P. und Franco suchen.Wenn dann noch Charge und weitere Stempel drauf sind, um so besser.
Zürich 9. Dezember 1844 als vorausbezahlter (rotes FRANCO) und Einschreibebrief nach Paris. Rückseitig ist auf dem Brief die Taxe von 120 Rappen vermerkt. Vorderseitig sind mit dem 7 AED die Französischen Gebühren von 7 Dezimen vermerkt, welche Frankreich aus Basel erhalten sollte. Der Brief kostet in der Schweiz 8 Kreuzer bis Basel, die 7 Dezimen entsprachen 14 Kreuzer, zusammen waren dies 22 Kreuzer. Die Einschreibegebühr führte zu einer Verdoppelung der Taxe, demnach 44 Kreuzer oder umgerechnet 120 Rappen.Erst als die Kantone Zürich und Genf im Jahre 1843 und später noch Basel 1845 Ihre ersten Kantonalmarken herausgaben, wurde das baldige Ende der Vorphilatelie eingeläutet. Doch Briefe ausserhalb des lokalen Porto oder bis ins Ausland wurden auch zu dieser Zeit noch unfrankiert oder Barfrankiert (vom Absender am Schalter bar bezahlt) versendet. Selbst in der Anfangszeit der Bundespost, ab 1850, wo die Vorphilatelie gänzlich endet, sind nach wie vor sehr viele Briefe unfrankiert versendet worden. Dies war bedingt durch die kleinen Werte auf den Briefmarken und des hohen Portos ins Ausland, welches nicht mit einer Übermenge an Marken hätte gedeckt werden können.
Hinweis:Oftmals werden Briefe aus der Markenzeit, welche unfrankiert aufgegeben wurden als Vorphilatelie Briefe behandelt, dies ist grundsätzlich falsch. Es handelt sich dann um unfrankierte oder barfrankierte Briefe. Siehe dazu Postgeschichte: «Porto, Franco, Teilfrankiert». Den Spezialisten freut es, denn Vorphilatelie Briefe sind oftmals nicht teuer. Aber je Später ein unfrankierter Brief aufgegeben wurde, desto seltener werden sie. Und wie das so ist, Seltenheiten sind, wenn sie erkannt wurden, oft nicht mehr günstig zu haben.
Das Ende der Vorphilatelie und der Beginn der Postgeschichte in der Markenzeit fanden bei den klassischen europäischen Staaten meist im Zeitraum von ca. 1840 bis 1860 statt. Es gab eigentlich nur eine Änderung im Vergleich zur Postgeschichte der vorphilatelistischen Zeit: Ein Frankobrief konnte ab jetzt nicht nur in bar ganz oder teilweise im Voraus bezahlt werden, sondern auch durch das Anbringen eines Franko-Klebezettelchens, besser bekannt als Briefmarke.
Aber ganz so kontinuierlich gehen Vorphilatelie und die Postgeschichte der Markenzeit nun doch nicht ineinander über. Nahezu alle Länder, die Briefmarken herausgaben, verbanden dies mit tiefgreifenden Postreformen. Dazu zählen Vereinfachungen der inländischen Portosätze wie die Penny Post im Grossbritannien. Andere Postgebiete wie der Deutsch-Österreichische Postverein (DÖPV) oder der Österreichisch-italienische Postverein (LEGA) entstanden neu und benutzten die neue Form der Briefmarke als Bezahlform innerhalb des Postvereins.
Oktober 1851: Die Post des Königreichs Württemberg gibt die ersten eigenen Freimarken heraus, nachdem es am 1. September 1851 dem DÖPV beigetreten war. Als eines der wenigen Mitglieder dieses Postvereins nannte es explizit die Ursache für die Herausgabe von Briefmarken auf dieser selbst, nämlich den „Deutsch-Oester. Postverein / Vertrag v. 6. April 1850“
Es gab also schon lange vor der Gründung der GPU / UPU (Genereller Postverein / Weltpostverein) das Bedürfnis, den Postverkehr zu vereinfachen, insbesondere durch eine simple Tarifstruktur, durch gemeinsame Gewichtsgrenzen und Währungen. Wenn der politische Wille stark genug war, klappte dies auch wie beim DÖPV. Die LEGA hingegen war ein zwar ein österreichisch-italienischer Postverein, an dem aber nur die nord- und mittelitalienischen Staaten teilnahmen, die unter direkter oder indirekter Kontrolle Österreichs standen. Weder Sardinien noch Neapel & Sizilien waren Teil der LEGA.
Meist stand aber immer noch die Maximierung des Gewinns aus dem Postregal der einzelnen Nationalstaaten im Vordergrund, nicht die Vereinfachung des Postverkehrs für den Kunden. Und von billiger ist besser war meist keine Rede. Natürlich führte aber der Ausbau der Eisenbahnen und der Schiffsverbindungen zu einer Absenkung der Postgebühren, dies wiederum zu einer Zunahme des Postverkehrs und so weiter und so fort.
Die modernen Transportmittel sorgten auch für Konkurrenz unter den verschiedenen Postverwaltungen. Wie heute bei A- und B-Post konnte der Postkunde wählen, welchen Preis er bereit war zu zahlen, um einen schnelleren Transport zu gewährleisten. Und der Postverkehr der 1870er Jahre war zumindest in Europa und auf dem Atlantik schon sehr gut organisiert und aufeinander abgestimmt und somit auch berechenbar.
Hier ein Beispiel für die Wahlmöglichkeiten der Postkunden:November 1875: Brief vom deutschen Postamt in Konstantinopel nach Lyon. Der Vertrag zum Allgemeinen Postverein (GPU) war eigentlich schon in Kraft, Frankreich aber noch nicht Mitglied. Daher galten weiterhin die alten bilateralen Verträge. Zunächst mit 45 Pf. über Warna und dann weiter mit der österreichischen Post frankiert. Dann aber um 5 Pf. höher frankiert und über Odessa, die russischen und dann die schnellen preussischen Bahnlinien geleitet.
Dieser Brief zeigt uns die Komplexität und damit auch gleichzeitig die daraus entstehende Vielfalt der Postgeschichte vor der Gründung der UPU
Post vom deutschen Auslandspostamt in Konstantinopel wurde zu dieser Zeit auf zwei verschiedenen Wegen in den Westen transportiert. Da waren zum einen die Dienste des österreichischen Lloyd von Konstantinopel nach Warna, an der Küste des erst 1878/79 unabhängig werdenden Bulgariens gelegen. Der zweite Weg verlief mit der ROPiT, der russischen Gesellschaft für Handel und Dampfschifffahrt über Odessa, heute in der Ukraine gelegen. Von den Häfen bestand Anschluss an Eisenbahnlinien nach Westeuropa. Von Warna ab 1866 über eine Bahnverbindung nach Rustschuk an der Donau und dann weiter mit der rumänischen und österreichischen Bahnen nach Lemberg. Alternativ von Odessa durch die Ukraine und das österreichische Galizien ins preussische Schlesien, wo der Anschluss nach Berlin bestand.
Der Absender dieses Briefes hatte somit verschiedene Transportmöglichkeiten, auch Leitwege genannt, zur Auswahl, die sich natürlich in Dauer und Porto unterschieden. Er entschied sich für den Weg mit österreichischem Lloyd bis Warna und weiter über Rustschuk, Bukarest und Lemberg, vermerkte auf dem Brief “Voie de Varna” und frankierte ihn portogerecht mit 45 Pfg. der neuen deutschen „Pfennige“-Serie. Die beiden Marken wurden mit dem Datumsstempel “KAISERL. DEUTSCH. P.A. CONSTANTINOPEL 8.11.75” entwertet. Direkt danach muss sich der Absender aber anders entschieden haben. Der Vermerk des Leitwegs wurde in “Odessa” geändert, eine zusätzliche 5 Pfg. - Marke wurde teils über den zuvor abgeschlagenen Stempel platziert und ebenfalls entwertet. Der Absender hat sich also im Nachhinein für den Leitweg mit der russischen ROPiT entschieden, der 50 Pfg. kostete. Der Vermerk des Leitwegs wie auch das Porto wurden angepasst. Der Brief kam nach sechs Tagen in Frankreich an.
Warum entschied sich der Absender im Nachhinein für den Weg über Odessa? Er hatte die Wahl zwischen dem österreichischen Weg, der in 75 Stunden von Konstantinopel nach Wien führte und 45 Pf. kostete oder dem ‚russischen‘ Weg, der 99 Stunden brauchte und 50 Pf. kostete. Warum den langsameren Weg wählen und mehr bezahlen? Dies hängt einfach damit zusammen, dass das Schiff in Konstantinopel nach Odessa am Montag und Donnerstag um 14.00 Uhr ablegte, das nach Warna am Mittwoch um 15.00 Uhr. Da der Abgangstag, der 8. November 1875 ein Montag war und der Brief auf dem deutschen Postamt am Mittag (12-1 N.) angenommen worden war, reichte es noch auf den russischen Dampfer vom selben Nachmittag. Der Weg mit dem österreichischen Dampfer zwei Tage später wäre zwar schneller gewesen, im Endeffekt wäre der Brief aber einen Tag später in Lyon angekommen.
Wir haben also vor uns den seltenen Fall, das wir nur einen Beleg brauchen, um die zwei möglichen Leitwege dokumentieren zu können. Ein Glücksfall für jeden Postgeschichtler.
Komplexität und die daraus resultierende Vielfalt sind ja nun aber nicht nur Eigenschaften der Postgeschichte vor der UPU, sondern z. B. auch der Vorphilatelie. Was macht diese Zeit für den Postgeschichtler denn dann so besonders anziehend?
Der Zeitraum zwischen Vorphilatelie und UPU von 1840 bis ca. 1875 fällt zusammen mit der „Eroberung der Welt“ durch die Imperien des Westens. Postverbindungen bis in den letzten Winkel des Planeten wurden in dieser Zeit aufgebaut, waren ausserhalb Europas resp. nach Nordamerika aber noch recht komplex, da eine Vielzahl von Staaten involviert waren. Ich möchte dies anhand der Postverbindungen aus der Schweiz nach China verdeutlichen:
Kombination aus Forwarder und teilfrankiertem Posttransport, 1855: Brief aus Aarau an den Uhrenhändler Carlowitz in Canton. Der Absender wählte einen Transport ausserhalb der Post bis nach Singapur, dort wurde der Brief von dem sogenannten Forwarder Rautemburg Schmidt & Co. der Post übergeben. Ein Forwarder war ein bezahlter Agent, der den Transport von Briefen und Gepäckstücken ausserhalb des Postsystems organisiert resp. für Teilstrecken auf das Postsystem zurückgreift. Dies geschah auch hier. Rautemburg frankierte den Brief mit einem Paar der indischen Freimarken zu 4 Annas, die auch in Singapur verwendet wurden und beglich damit den Transport mit dem Postschiff bis zum Landungshafen Hong Kong. Den Landweg von Hong Kong nach Canton / Guangzhou musste der Empfänger bezahlen. (ex Spink 2021)
Teilfrankierter Posttransport 1856: Brief von St. Gallen an die gleiche Adresse in Canton, von der Schweiz weg frankiert. Ein Brief aus dem zweiten schweizer Postkreis bis zum Übergabepostamt für den britischen Dampfer in Alexandria hätte eigentlich nur 105 Rappen betragen. Bis wohin der Brief mit 145 Rappen frankiert sein sollte, ist nicht ganz klar, aber wahrscheinlich wurde fälschlicherweise eine Frankatur bis Hong Kong angenommen. Der Rest der Strecke wurde mit „1/-“ (1 Shilling) taxiert. (ex Köhler 2018)
Teilfrankierter Posttransport 1862: Brief aus der Korrespondenz des Missionars Oscar Rau nach Tschifu / Chéfou in China. Briefe an Oscar Rau nach Chefoo und Shanghai sind alle erst aus den Jahren nach 1860 bekannt. Dies liegt an der Tatsache, dass erst nach dem Friedensabkommen vom Oktober 1860 ausländische Staaten Botschaften in China errichten und Missionare in China offiziell tätig werden durften. Brief mit doppeltem Gewicht, versandt im Tarif vom 1. Januar 1857 über Marseille mit französischem Schiff bis zum Landungshafen im indischen Ozean. Auf dem Brief wurde fälschlicherweise ein PD abgeschlagen, der eine Bezahlung bis zum Empfänger nahelegt. Der Tarif von 95 Rappen je ½ Lot galt aber nur bis zum Anlandungshafen, der Empfänger musste bei diesem teilfrankierten Leitweg den Rest der Strecke bezahlen. Selbst für die Postbeamten waren die Bestimmungen manchmal einfach zu kompliziert. (ex Corinphila 2021)
Vollfrankierter Posttransport 1868: Brief aus Basel nach Shanghai mit rücks. Brief mit doppeltem Gewicht, versandt im Tarif vom 1. Oktober 1865 mit französischem Schiff und bezahlt bis zum Empfänger. (ex Corinphila 2019)
Anhand der vorher präsentierten Stücke lässt sich leicht erkennen, dass der internationale Postverkehr vor der UPU sehr komplex war und sich für ein interessantes postgeschichtliches Objekt anbietet. Aber wie sah es mit dem Postverkehr im Inland aus?
Die Tarife ins Ausland, die durch bilaterale oder multilaterale Verträge bestimmt wurden, hatten mit den Inlandstarifen nichts zu tun, für die logischerweise nur eine Postverwaltung zuständig war. Als Beispiel möchte ich hier zwei Einschreibebriefe aus Frankreich aus den 1870er Jahren zeigen:
R-Brief im Inland 1873: Brief von Blangy-sur-Bresle nach Paris in der ersten Gewichtsstufe bis zu 10 Gramm, 25 c. Briefporto und 50 c. Einschreibezuschlag. Das Porto und der R-Zuschlag waren im September 1871 drastisch von 20+20 auf 25+50 Centimes erhöht worden, um die Strafzahlungen nach dem verlorenen Deutsch-Französischen Krieg schneller begleichen zu können.
R-Brief ins Ausland 1874: Brief von Chaumont-en-Bassigny nach Bristol in der ersten Gewichtsstufe bis zu 10 Gramm im Tarif vom Juli 1870, 30 c. Briefporto mit Verdoppelung für das Einschreiben. Der Tarif blieb unverändert bis zur GPU im Dezember 1875.
Von 1871 bis 1875 war es also billiger ein einfaches Einschreiben nach Grossbritannien zu verschicken als innerhalb Frankreichs. Aber warum? Weil ein bilateraler Vertrag nur mit Zustimmung beider Vertragsparteien geändert werden konnte. Und das Vereinigte Königreich hatte offensichtlich kein Interesse an höheren Postgebühren.
Wer sich also mit einem postgeschichtlichem Thema aus der Zeit vor der UPU beschäftigt, hat also praktisch die „Garantie“ für ein vielgestaltiges und interessantes Objekt. Viele Sammler wählen daher diesen „natürlichen“ Schlusspunkt für ihre Sammlung. Mit der UPU wurde vieles für den Postkunden und den Postbeamten einfacher und für den heutigen Sammler vielleicht auch etwas zu übersichtlich und langweilig. Aber vielleicht ist ja gerade dieser Übergang wiederum ein interessantes Thema?
Wenn wir von UPU / Weltpostverein sprechen, dann geht es dabei immer um ein Poststück im Internationalen Postverkehr. In der Postgeschichte ist die Gründung des Weltpostvereins (UPU) am 9.10.1874, resp. das Inkrafttreten des Weltpostvertrags am 1. Juli 1875, ein Meilenstein. Sein Zweck diente einzig dazu, die internationale Zusammenarbeit der Postunternehmen und Behörden zu regeln, und die Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Postverkehrs zu vereinfachen. Diese klaren Bedingungen hatte man bis zur UPU mittels Postverträgen mit Nachbarländern geschaffen, aber eben mit jedem Staat für sich ausgehandelt. Wenn das Nachbarland lediglich Transitland war, war der eigene Vertrag abhängig vom Vertrag der Transitländer mit weiteren Transitländern oder dem Destinationsland in welchem das Postgut abgeliefert werden sollte. Sind nun solche Verträge von Transitländern geändert worden mussten die Tarife über die ganze Kette der Vertragsstaaten, innerhalb der Route, angepasst werden. Solche Änderungen wurden dann in der Schweiz in Postamtsblättern und oder auch Verfügungen festgehalten und waren sodann Bestandteil des aktuellen Tarifblattes, bis dieses wieder als Ganzes erneuert wurde. Mit dem zunehmenden Postverkehr war dies ein enormer Verwaltungsaufwand für die Postanstalten. Diese Abhängigkeitsketten sollten mit dem Weltpostverein abgeschafft und vereinfacht werden, denn auch die Abrechnungen unter den Vertragsstaaten wurden nicht einfacher, so dass mit dem Weltpostverein auch die dabei anfallenden Postgebühren zu vereinfachen und zu koordinieren waren und erweiterte Servicestrukturen weltweit aufgebaut und eingeführt werden konnten.
Eine spannende Episode der Postgeschichte ist demnach die Übergangszeit von der Gründung des Weltpostvereins mit 22 Mitgliedern bis zum weltumspannenden Postnetz des Weltpostvereins. So wurde 1875 in den Tariflisten unterschieden nach Vereinsinland und Vereinsausland. Dies machte sich dann später bemerkbar, da für die Überseedestinationen als Mitglieder in dem sogenannten AII Tarif für das Vereinsinland einen Überseezuschlag von 15 Rp. zu zahlen war . Für Nichtmitglieder gab es bis 1892 den gesonderten B Tarif, welcher je nach Land und Postvertrag unterschiedlich sein konnte. Es brauchte jedoch noch bis 1893 bis ein einheitlicher Briefposttarif weltweit durchgesetzt werden konnte. Postgeschichtliche Themen wie das Sammeln nach Tarifen nach der Gründung des Weltpostvereins sind durchaus interessant. Die Zeitperiode von 1875-1892 welche den Übergang von UPU Mitglied und nicht Mitglied bearbeitet, bietet ein reiches Spektrum an höchst interessanten Details.
Betrachten wir doch einmal einige der Möglichkeiten in der Zeitperiode 1875-1900.
Die Tarife und die Ausweitung des Weltpostvereins
Anfänglich galt bei den meisten Aussereuropäischen Destinationen unterschiedliche Tarife, so wurde unterschieden zwischen Vereinsinland (A Tarif) und Vereinsausland (B Tarif).
Im Vereinsinland (A Tarif) wurde dann je nach Zeitperiode weiter unterschieden zwischen Europa + USA und den weiteren überseeischen Ländern welche im Weltpostverein Mitglieder waren.
Verkleinerter Auszug aus der Destinationen Preisliste des A Tarifs von 1875
Der Tarif in Europa, für das Festland und grösstenteils die Inseln und den USA, setzte das Porto für einen einfachen Brief bis 15 Gramm Gewicht auf 25 Rp. ab UPU (1.7.1875) fest. Die Vereinigten Staaten von Amerika ebenfalls Gründungsmitglied des Weltpostvereins.
Brief aus Oberhofen/Schweiz vom 8.8.1875 nach den USA gemäss UPU Vertrag vom 1.7.1875 für 15 Gramm Gewicht zu 25 Rp. Porto.
Chargierter USA Brief zum Gewicht bis 15 Gramm, mit Porto zu 25 Rp + Charge Zuschlag zu 25 Rp.
Im Vereinsausland (B Tarif) wurden alle Nichtmitglieds-Staaten behandelt, bei welchen dann die individuell ausgehandelten Postverträge unter den Ländern als Grundlage galten.
Verkleinerter Auszug aus der Destinationen Preisliste des B Tarifs von 1875.
Eine Ausnahme bildete das Fürstentum Montenegro, welches dem Weltpostverein damals nicht beitrat. Bei Frankreich sollte der neue Tarif noch bis zum 1.1.1876 aufgeschoben werden. Was zwangsweise zu einem neuen Tarif für Frankreich führte. Alle Briefe welche ab dem 1.7.1875 bis zum 31.12.1875 über Frankreich geleitet wurden, mussten in diesem Tarif berücksichtigt werden.
Brief in der dritten Gewichtsklassse über Frankreich nach dem Tarif No. 3 vom 1.7.1875, nach Südamerika und via Magelanstrasse nach dem an der Pazifikküste gelegenen Valparaiso/Landungshafen. In Valparaiso mit 90 Centavos Inlandtaxe belastet.
Mit der Zeit wurden immer mehr Länder zu Mitgliedern des Weltpostvereins, bemerkbar machte sich die in den Verfügungen und in den neuen Tarifen der Post. Während die Liste der A Tarifländer (Mitglieder) sich erweiterte, nahmen die Liste der Staaten welche zu den B Tarifländer (nicht Mitglieder) gehörten, zunehmend ab.Speziell war, das Frankreich erst ab dem 1.1.1876 Mitglied im Weltpostverein war, daher wurde eigens ein Tarif No. 3 für Frankreich welcher 6 Monate Gültigkeit hatte, herausgegeben.
Später, ab 1877 wurde der A Tarif unterteilt in AI und AII Tarif. Zu diesem Zweck gab es in den Tariflisten die Auflistung der Länder und deren Postvereins Zugehörigkeit oder gar der Vereinsausland Tarif.
Seite 1 von 3, welche die Zugehörigkeit der Länder zum Tarif 1877 bestimmten.
Im Vergleich hierzu eine Brief nach Alger/Algerien zur zu 25 Rp. und ein Brief nach Mulhouse zu 25 Rp.
Beides sind 25 Rp Frankaturen für Vereinsmitglieder. Mulhouse gehörte nach dem Deutsch Französischen Krieg zu Preussen.
Wenn wir demnach zur Zeit der Sitzenden Helvetia gezähnt, 50 Rp. Frankaturen nach Übersee antreffen, basieren diese Meist auf dem Tarif AII.
Portogerecht mit 50 Rp frankierter Brief ab Winterthur 27.5.1878 über London nach Buenos Ayres. Zum Vereinsinland Tarif AII vom 1877 waren Briefe nach Argentinien ab dem 1.9.1877 mit 50 Rp. zu frankieren.
50 Rp. auf Brief nach Honkong zum Tarif von 1877 Punkt a1 Britische Besitzungen in Asien.
Der Vereinsauslandtarif 1877 als B Tarif bezeichnet, war nach wie vor mit beträchtlicher Anzahl Ländern, ausserhalb des Postvereins vertreten.
Hier ein Abbild von Seite 1 des Tarifes welcher immer noch 5 Seiten umfasste.
Brief von Mannenbach 18.6.1878 nach King Williams Town "British Kaffaria", über Cap der Guten Hoffnung 6.9.1878 und Ankunft am 21.9.1878. Ein Brief weitergeleitet in das Kriegsgebiet (zweiter Sekukuni-Krieg) über Durban 9.10.1878 nach G.P.O Natal 10.10.1878. "Rückseitig noch schwarzer Mo.11 Greytown". Frankatur hätte 75 Rp. sein müssen. Der Brief lief daher laut Tarif vom 1.6.1878 als unfrankierter Brief zu 100 Rp. das bestehende Portos von 50 Rp. wurde gutgeschrieben, es fehlten noch 50 Rp. welche der Empfänger zu zahlen hatte. Die Weiterleitung ins Kriegsgebiet wurde nicht verrechnet.
Der neue Vereinsinländische Tarif reduzierte die Taxe für Mitgliedsländer in Übersee für Briefe bis 15 Gramm, von 50 auf 40 Rappen.
Es galt der 25 Rp. Auslandtarif mit einem Überseezuschlag von 15 Rp.
Brief vom 25.2.1880 nach Japan zu 40 Rp Brief nach Argentinien vom 16.7.1879
Einige spektakuläre Frankaturen aus der Übergangszeit
Gebiete welche direkt zum Verieninland gehörten, waren dem neuen AII Tarif nach behandelt und mit 40 Rp verrechnet worden. Der Leitweg hatte hier keinen EInfluss darauf. A2 Tarif auf Überseebrief von Wädenschweil am Zürichsee vom 11.3.1881 und einmal St. Gallen vom 9.5.1882, beide aus der Übergnagszeit der Sitzenden Helvetia gezähnt zur Stehenden Helvetia, nach Penang Malaysia Porto pro Gewichtsstufe a 15 Gramm = 25 Rp. + ÜBERSEEZUSCHLAG von 15 Rp. = 40 Rp Gesamtporto.
Auch Postkarten konnten zum A2 Tarif versendet werden. Es galt das 10 Rp. Postkartenporto und ein Überseezuschlag von 10 Rp. Es sind von diesen Postkarten zum AII Tarif bisher nur sehr wenige Stück (5) bekannt geworden.
Keine Regel ohne Ausnahme, Englisches Besitztum in Übersee.Einige Englische Besitzungen in Übersee welche zum Englischen Vereinsinland gehörten, wurden weiterhin mit dem Porto von 25 und dem Überseezuschlag von 25 Rp. gerechnet, sofern sie über England oder Englische Besitztümer gelaufen sind,
50 Rp. auf Brief nach Addah zum Tarif als Britische Besitzungen über London nach Afrika gelaufen.
Damit fielen die Überseezuschläge von 15 Rp. ab diesem Datum weg. 25 Rp. Auslandporto von Zürich 9.4.86 nach Überseedestination Penang.
Aus dieser Zeit hört man dann oft, die Briefe seien Langweilig, da immer die gleiche grüne oder blaue 25Rp. Marke drauf klebt. Das mag für den einen oder anderen ein Grund sein, solche Belege nicht in seine Sammlung aufzunehmen. Doch um die Geschichte hinter den Belegen zu erzählen reicht es allemal und wer einen guten Riecher hat, der findet auch mal ein Tüblibrief mit Zusatzfrankatur.
Die Zeitperiode ist auch von der Geschichte her sehr Interessant, denn hierbei handelt es sich um den Ausbau des Welthandels, Europa hat zu dieser Zeit auch eine grössere Wirtschaftskriese zu überwinden, welche zu grossen Auswanderungen in die neuen Welten führten. Viele Europäer versuchen Ihr Glück in er neuen Welt um sich etwas aufzubauen. Ein Gebiet welches sich hervorragend mit solchen Briefen dokumentieren lässt.
Australien als Nichtmitglied gehörte noch bis zu deren Beitritt 1891 zum B Tarif2.- Fr Briefporto für Briefporto nach B Tarif von Geneve nach Brisbane, Australien. 10.2.1887 Australien trat erst 1891 dem Weltpostverein bei, so wurde das Porto für diesen Brief mit 2x 75 Rp. für ein Briefgewicht ab 15- 30 Gramm und den Charge Zuschlag mit 50 Rp. festgesetzt, was das geklebte Port von 1.75 Fr. + die 25er Tübli Ganzsache, zusammen 2 Fr. bestätigt.
Ab Mitte 1892 wurden die AI und AII Tarife auf dem Weltpostkongress in Wien 1891 abgeschafft. Alle bestehenden Verträge wurden erneuert. Die Änderungen traten am 1. Juli 1892 in Kraft, ab da galt dann nur noch der UPU Tarif .
Alle Porti für Briefe ins Ausland wurden vereinheitlicht und auf 25 Rp. pro 15 Gramm Gewicht festgesetzt. Der Charge Zuschlag (eine Serviceleistung) wurde für Briefe ins Ausland auf 25 Rp festgesetzt. Expressbriefe (eine Serviceleistung) wurden wie bisher mit 30 Rp. belastet, sofern es keinen Wegzuschlag ab Empfänger Poststelle zum Empfänger gab.
Ein schönes Beispiel dazu ist Tonga. Tonga hatten keinen Postvertrag. Das Königreich Tonga war zu diesem Zeitpunkt eigenständig und erst ab 1900 ein britisches Protektorat. Die Post von und nach dem Königreich Tonga wurde immer über Neuseeland befördert.
Doppelgewichtiger Brief aus Lausanne an den Konsul von Norwegen und Schweden nach Santos/Brasilien mit Weiterleitung nach Tonga Island nach dem Einheitstarif für Briefe über 15-30 Gramm. Lausanne 16.7.1894, via Paris /Etranger über Plymouth/GB 00.8.1894, Ankunft : Rio De Janairo 7.8.1895, Ankunft: Santos 9.8.1894. In Brasilien musste der Brief weitergeleitet werden nach Nukualofa/South Sea Island, was nur über New Zealand möglich war. Daher Abgang Rio de Janairo 12.9.1894, Ankunft: Aukland 3.11.1894, Ankunft: Nukualofa/Tonga 16.11.1894
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Übergangszeit von 17 Jahren ab Einführung des Weltpostvereins am 1.7.1875 - 1.7.1892 andauerte. Eine Sammlung nach den verschiedenen Tarifkriterien aufzubauen ist hier durchaus möglich. Einzig die Kenntnisse und die Tarife werden benötigt um diese interessanten Tarifperioden mit belegen und zu Dokumentieren. Die Sammler die sich an ein solches Projekt wagen, muss noch gesagt werden, je näher der Abgangsstempel an den Zeitpunkt des Tarifwechsel herankommt, umso mehr gilt die Sammlung als Dokumentation der Tarifwechsel. Es ist nicht der Preis der Belege welche den Wert einer Sammlung bestimmen, es die Kenntnis der Sammler der damit die Ausbautiefe der Sammlung ausarbeitet. Die Juroren an den Ausstellungen schauen hier sehr genau hin.
Ab hier war dann für die optimale Frankatur ein einfach gewichtiger Brief mit einer 25 Rp zu beklebt, zu Anfang in der Farbe Grün, ab 1893 dann der Wechsel zur Farbe Blau.
Postkarten ins Ausland wiederum wurden mit 10 Rp. Porto belegt, wobei der Charge Zuschlag auch bei Postkarten bei 25 Rp. lag. Drucksachen ins Ausland wurden bei 5 Rp. pro 50 Gramm belassen. Bei der Packetpost/Fahrpost wurden die Tarife ebenfalls vereinheitlicht.
Die einen mögen die Zeitperiode nach der UPU mit einfachen Frankaturen verglichen. Wir sehen dass sich in 17 Jahren ab der UPU aber noch einiges getan hat bis sich ein Einheitstarif mit 25 Rp. etablierte. Daraus liessen sich dann spezielle gleichwertigen Buntfrankaturen basteln. Als dann am 1.7.1900 das 25 Jährige Jubiläum des Weltpostvereins mit der ersten Sondermarke der Schweiz gefeiert wurde, gab es von der 25 Rp Marke, welche als Porto verwendet werden konnten gleich 3 verschiedene Marken welche auf dem untenstehende Brief dies dokumentiert. Brief in der Anfangszeit der ersten Sondermarke UPU 1900, vom 2.7.1900. Der Tarif war pro 25 Gramm Gewicht bei 25 Rp + 25 Rp für Charge. Man muss hier davon ausgehen, dass der Brief im Bereich von 25-50 Gramm Gewicht lag, damit das Porto von 3x25 Rp. mit Charge Zuschlag gerechtfertigt war. Interessant ist die Verwendung der Marken 25 Rp grün (67D) + 25 Rp. blau (73D) + UPU Sondermarke zu 25 Rp. in blau (79A). > Eine wunderbare spielerische Frankatur.
Spielerische Frankaturen waren immer möglich und Briefmarkensammler machten schon damals reichlich Gebrauch davon.
Jede Person hat ein spezielles Verhältnis zum Wort Heimat und deren persönlicher Bedeutung. Eine Heimatsammlung kann aus verschiedenen Blickrichtungen aufgebaut werden. Ob man sich mit jedem möglichen Stempel, den die Postverwaltung des "besammelten" Ortes hervorgebracht hat oder sich postgeschichtlich mit seinem Lieblingsort beschäftigt oder sich über die "Social Philately" seinem Gebiet nähert, hängt vom jeweiligen Sammlergeschmack ab.
Wer eine Heimatsammlung aufbauen möchte, wählt ein Gebiet aus, zu dem er eine persönliche Beziehung hat oder für ihn eine spezielle Bedeutung besteht. Dieses kann ein Ort, eine Region, Talschaft, ein Kanton oder Land sein.
Beispiele: - Postgeschichte von Genf 1839 – 1862 - Postgeschichte vom Simmental
Sie soll die Entwicklung der Post im gewählten Gebiet aufzeigen, durch die Erforschung von Verkehrswegen, der Stempel und deren Verwendungsdauer und der Postrouten und Tarife. Dabei beschränkt sich dies nicht nur auf abgehende, sondern auch auf eingehende Post, d.h. sogenannte «Incoming Mail».
Beispiel:
18.10.1874: Einfacher Brief von Cairo (Ägypten) über Alexandria und Brindisi nach Menziken. Tariferklärung: Der Gesamtbetrag von 2 Piaster und 35 Paras setzt sich zusammen aus: 1 Piaster (40 Paras) Inlandtarif bis nach Alexandria plus 1 ½ Piaster für den Transport von Alexandria nach Brindisi. Für die Strecke Brindisi nach Menziken wurden 15 Paras verrechnet.
Der Titel der Sammlung soll das Gebiet bezeichnen, das dargestellt wird. Die abgedeckte Zeitperiode wird idealerweise dazu erwähnt. Auf diese kann aber auch erst in der Einführung eingegangen werden.
Die gewählte Zeitperiode soll möglichst viel über die Entwicklung der Post aussagen.
Beispiel: Basel, Postgeschichte 1621 – 1849
Unter dem Kapitel «Einführung und Ziel der Sammlung» werden die wesentlichen Aspekte der Sammlung erwähnt sowie die Ziele, die sie erfüllen soll.
Diese soll klar abgegrenzt sein und kann nach Ortschaften, Zeitperioden etc. gemacht werden.
Beispiel Zeitperiode:
Dabei geht es, die Geschichte und Entwicklung der Beförderung der Post über verschiedene Verkehrswege wie Postrouten, Pässe, Seen und Bahnlinien aufzuzeigen.
Beispiel eines Briefes, vom Postboten über die Postroute «Birrwyl & Route» befördert:06.09.1841: Brief von Birrwil nach Locarno. Tariferklärung: 2 Kreuzer für den Kt. Aargau plus 5 Kreuzer über Luzern und Gotthardpass plus 3 Kreuzer für den Kt. Tessin ergaben Total 10 Kreuzer, die der Empfänger zu bezahlen hatte. Der 3-linige Routenstempel Birrwyl & Route wurde für Transitpost im Postbüro Reinach angebracht. Verwendungszeit des Routen-Stempels: März 1840 – September 1844. Botenroute: Dürrenäsch – Leutwil – Birrwil – Beinwil – Reinach.
Darunter wird die Erforschung vom Standort und den Eröffnungsdaten der ersten Postablage und ihre Klassifizierung zum rechnungspflichtigen Postbüro sowie die Organisation der Botendienste verstanden.
Beispiel: Unterkulm
- 1835 Eröffnung einer Postablage unter kantonaler Administration - 1850 Klassifizierung als Poststelle
Standort der ersten Poststelle: Im Restaurant Bären an der Hauptstrasse
Botendienst: Bis 1876 täglicher Botendienst im Dorf. Ab 1877 3 tägliche Auslieferungen im Dorf sowie einmal täglich die Bedienung des Wannenhofs.
Wussten Sie, dass Stempel viel älter sind als Briefmarken? Der erste Stempel in der Schweiz wurde 1695 in Genf eingesetzt. Seitdem sind unzählige Stempel produziert, benutzt und wieder ausgemustert worden. Diese Stempel sind bis heute auf Briefen und Belegen erhalten geblieben.
Die Geschichte dieser Stempel und deren Verwendungsdauer wird vom Heimatsammler erforscht und dokumentiert.
Kenntnisse über die Tarife, d.h. die Erklärung eines Posttarifs für das Poststück (Brief, Karte etc.) sind das Salz in der Suppe eines jeden Postgeschichtlers oder Heimatsammlers. Mit der Auswahl von Belegen können Frankaturen & Postvermerke erklärt werden. Dabei soll man sich auf interessante Frankaturen und Abstempelungen konzentrieren.
Beispiel einer speziellen Frankatur und Abstempelung:04.03.1851: Kulm nach Gebensdorf. Der Brief wurde zuerst unfrankiert, als vermeintlicher Amtsbrief, an den Empfänger geschickt und von der Empfangspoststelle mit 3 Kreuzer belastet. Der Empfänger refüsierte diesen mit dem Vermerk: «unfrankierte Briefe werden nicht angenommen». Am 8. März wurde der Brief in Kulm neu aufgegeben, jetzt korrekt frankiert mit 7 ½ Rp für einen doppelten Brief im ersten Briefkreis.
Mit der intensiven Befassung eines Gebietes baut man sich ein Wissen auf, das, sofern es korrekt und verständlich in der Sammlung zum Ausdruck kommt, in einer Wettbewerbsausstellung entsprechend bewertet und honoriert wird.
Mit dieser Ausarbeitung wird der Versuch unternommen, die mit dem Wort Frankatur im Zusammenhang stehenden postalischen und philatelistischen Begriffe zu erläutern. So mancher wird mindestens einen Teil der Begriffe "übertrieben" oder gar "unnütz" finden. Bei genauer Betrachtung, vor allem bei genauer Überlegung, wird man aber zwangsläufig feststellen, dass diese Begriffe - richtig angewendet - sehr informativ sein können und damit durchaus ihre Berechtigung in der philatelistischen Fachsprache (Terminologie) haben. Ob Jäger oder Taubenzüchter, Sportler aller Disziplinen oder Amateurfunker, ob im beruflichen Bereich oder im Bereich des Hobbys, überall gibt es spezielle Fachausdrücke, also eine eigene Terminologie, die scherzhaft oft auch als "Fachchinesisch" bezeichnet wird. Was aber in allen Bereichen anzutreffen ist, sollte in der Philatelie nicht fremd sein. Wenn in einer Fachsprache Wortfindungen und Wortbildungen (Fachausdrücke) ermöglichen, eine Sache oder einen Vorgang präzise zu bezeichnen, ohne dafür eine (oft lange) Be- oder Umschreibung zu benötigen, so ist dieses "Fachchinesisch" berechtigt. Aber bitte bedenken Sie, eine Sprache, auch eine Fachsprache, kann nur angewendet werden, wenn sie der in Frage kommende Personenkreis versteht und beherrscht. Nach diesem kleinen Ausflug in das Gebiet der Fachsprache zurück zur Philatelie, zurück zu den Frankaturen.
Will man über Frankaturen sprechen, so ist es notwendig, erst einmal zu klären, was man unter Frankaturen versteht."Bezahlung des Beförderungsentgelts bei der Post" — so sagt Brockhaus. "Frankaturen sind die einer Postsendung aufgeklebten und den Portobetrag darstellenden Marken, wobei es gleichgültig ist, ob eine oder mehrere Marken verwendet werden bzw. notwendig sind" so schreibt Hager in seinem Grossen Lexikon der Philatelie. "Frankatur ist der Betrag an Postwertzeichen, der zum Freimachen einer postalischen Sendung gemäss dem gültigen Posttarif aufgewendet werden muss" — so interpretiert Arnau in seinem Handbuch der Philatelie. Diese Aussagen sind für den Leser verständlich und treffen im wesentlichen auch den Kern der Sache. Es sei mir aber gestattet, eine eigene Auslegung des Begriffs "Frankatur" zu bringen. Sie lautet: Frankatur ist der Betrag, der nach der jeweils gültigen Postgebührenordnung in Postwertzeichen oder in bar für eine Postsendungund e i n e n Postweg aufzubringen und auf der Sendung kenntlich zu machen ist. Diese Aussage ist meines Erachtens etwas präziser und für die Gesamtabhandlung des Themas zutreffender. Aber, ist das wirklich alles, was über Frankaturen gesagt werden kann? In allen vier Fällen bezieht sich die Definition auf den Nachweis, die von einer Postverwaltung für den Transport einer Postsache geforderten Gebühren erbracht zu haben. Reicht das für den Philatelisten, der bestrebt ist, eine Sache genau zu beschreiben und vor allem korrekt zu bezeichnen? Es wird wohl nicht ausreichen. Dazu muss die Materie aufgearbeitet und das Wissen um Frankaturen vertieft werden.Wenn man den Begriff "Frankatur" oder "Frankaturen" bearbeitet, kommt man an den Begriffen "Porto", "Franco", "Taxe" und "Gebühren" nicht vorbei. Die Begriffe verschwimmen und lassen sich oft grundsätzlich nicht voneinander trennen. Will man das Thema "Frankaturen" aber verständlich bringen, muss man zunächst einmal auf diese Begriffe eingehen.
In früheren Zeiten war Porto die allgemeine Bezeichnung für alle Arten von Postgebühren. Im Volksmund findet man das heute noch. Später verstand man unter Porto die Gebühr, die beim Empfänger einzuziehen war (Nachgebühr), und so ist dieser Begriff heute noch auszulegen. Im Zusammenhang mit dem Wort "Porto" steht Portofreiheit, das eigentlich richtig "Gebührenfreiheit" heissen muss. Einzelpersonen, Behörden, staatlichen und privaten Institutionen etc. wurde und wird unter bestimmten Voraussetzungen auf Zeit oder auf Dauer Gebührenfreiheit eingeräumt. Diese Postsendungen müssen entsprechend gekennzeichnet sein, um zu vermeiden, dass beim Empfänger unberechtigt Portogebühr (Nachgebühr) erhoben wird.
Franco ist das Gegenteil von Porto. Der Empfänger hat in diesem Fall keine Gebühren zu erbringen. Es bezahlt der Absender den in der Gebührenordnung festgelegten Betrag bar oder mittels Postwertzeichen. Franco ist daher zu übersetzen mit "frei" oder "freigemacht" oder, wie es in früheren Zeiten auch hiess, "frankiert".
Das Wort "Taxe" ist eine alte, in vielen Ländern heute noch gebräuchliche Sammelbezeichnung für Porto und Franco; gewissermassen ein Überbegriff für vorausbezahlte oder nacherhobene Postgebühren. Man spricht von einer "angetaxten" Sendung, wenn die vorgeschriebene Gebühr vom Absender nicht oder nicht voll erbracht wurde und die Post die notwendigen Nachgebühren (Porto) auf der Sendung vermerkt hat. Sehr häufig wurde und wird heute noch bei den Postverwaltungen für diese Zwecke der Stempel T verwendet. Es wäre falsch, das als Argument dafür zu werten, den Begriff ausschliesslich für Gebührennacherhebung anzuwenden.
Die Gebühr ist eine Abgabe, die als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben wird. Die Post ist eine öffentliche Einrichtung. Ihre Gebührensätze sind in einer Gebührenordnung geregelt, die von Zeit zu Zeit geändert und den wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst wird. Dieser allumfassende Begriff "Gebühr" wird für die Bezeichnungen Porto, Franco, Taxe und Frankatur gleichermassen angewandt. Es ist ein weiterer Beweis dafür, wie eng diese Begriffe verflochten sind.
Aber wieder zurück zu den Frankaturen. Was unter Frankatur zu verstehen ist, wurde bereits gesagt. Nicht alle Gebühren, die von der Post für eine Leistung erhoben werden, sind Frankaturen; auch dann nicht, wenn sie mit Postwertzeichen erbracht werden. Darüber wird noch zu sprechen sein.
Für den Philatelisten ist die konkrete Bestimmung einer Frankatur von Bedeutung. Je nach Thema und Aufbau einer Sammlung müssen solche Stücke genau in den chronologischen Sammlungsablauf eingebaut werden. Das kann nur geschehen, wenn das Stück eindeutig klassifiziert ist.
Damit sind wir bei der ersten und wichtigsten Voraussetzung. Ein Stück kann nur dann eindeutig klassifiziert werden, wenn es klassifizierbar ist. Briefteile und Briefstücke sind kein (oder nur beschränkt) geeignetes Material für eine Frankaturbestimmung. Man weiss nicht, was an den Stücken abgerissen oder abgeschnitten wurde und kann es in der Regel auch nicht rekonstruieren. Nur komplette Stücke, bei denen alle verwendeten Postwertzeichen, Absendeort, Empfangsort, Stempel aller Art, Leitvermerke und alle sonstigen postalischen Kennzeichnungen erkennbar und unbeeinflusst sind, garantieren auch eine einwandfreie Klassifizierung.
Eine weitere Grundvoraussetzung ist, die Vielzahl der Frankaturen und ihre philatelistisch richtige Bezeichnung zu kennen. Es gibt immer wieder Unsicherheiten und Fehlbezeichnungen, die vermeidbar wären. Das liegt sicher auch daran, dass man die einzelnen Frankaturbezeichnungen nicht einfach untereinanderschreiben und die zu begutachtenden Stücke einer dieser Bezeichnungen zuordnen kann. Für jedes Stück sind grundsätzlich mehrere Frankaturbegriffe zutreffend. Es kommt darauf an, von welchem Gesichtspunkt aus man das Stück betrachtet, um die Zuordnungsmöglichkeiten festzulegen.
Beispiel:Ein Einschreibebrief ist mit vier Marken derselben Ausgabe, jedoch mit unterschiedlichen Nominalwerten frankiert und an einen Empfängerin Frankreich adressiert. Es handelt sich bei diesen Stücken um
Der Philatelist, der ein solches Stück nach allen Gesichtspunkten klassifiziert hat, kann nun wählen, unter welcher Bezeichnung und an welcher Stelle in seiner Sammlung er den Brief am besten zur Geltung bringen kann.
Postgeschichte wird dann besonders interessant, wenn die zeitgeschichtlichen Umstände ein normales Funktionieren der Post unmöglich machten resp. wenn zusätzliche Leistungen nötig wurden, die überdas Normale hinausgingen. Als Beispiele möchte ich hier die Themen Feldpost, Zensur oder die Post von Kriegsgefangenen und Internierten nennen. Aber es gibt da natürlich noch viel mehr wie die Einschränkungen während Seuchen oder den unterbrochenen Postverkehr in Kriegszeiten.
Dieses vielgestaltige Thema kann aber auch Bearbeitungen beinhalten, die unter dem Aspekt der‚Social Philately‘ aufgebaut wurden.
Feldpost war in den frühen Jahren oftmals nicht mit Portofreiheit verbunden, es gab z. B. unterschiedliche Tarife für einfache Wehrmänner und Offiziere. Im Falle kriegerischerAuseinandersetzungen wurde der Tarif oftmals abgesenkt, entweder auf den Inlandstarif oder aufeinen verbilligten Tarif. Nachfolgend dazu drei Briefe aus dem Krimkrieg 1854/56:
Abb. 1: Eingehende britische Feldpost aus Brighton an einen Fähnrich bei der “Army of occupation, Gallipoli”, dreifärbiger seltener Tarif zu 15d, versandt am 17. April 1854 über London und Calais und über das französische Feldpostbüro “ARMEE D’ORIENT Beau SEDre” weitertransportiert. Es handelt sich um einen sehr frühen Brief, britische Truppen landeten in Gallipoli / Çanakkale auf den Dardanellen nicht vor dem 4. April 1854. Bis zum 22. Mai 1854 galt der normale Tarif zu 15d mit französischem Versand in das Osmanische Reich.
Abb. 2: Eingehende britische Feldpost aus London an das Feldlazarett in Varna, Bulgarien, versandt am 28. Juli 1854. Im Mai 1854 war jetzt ein verbilligter Tarif (‘concession rate‘) von 3d eingeführt worden. Ein weiterer Penny musste für eine Spätlingsgebühr (‘late fee‘) gezahlt werden.
Abb. 3: Ausgehender doppelgewichtiger Feldpostbrief nach Paris, aufgegeben am 22. August 1855 beim französischen Hauptfeldpostamt („Armée d’Orient Quartier General“). Die Frankatur beglich zweimal den französischen Inlandstarif von 20 Centimes, der auch für die Feldpost galt.
Betrachten wir die Situation der Feldpost in der Schweiz. Im Krieg 1870/71 zwischen Preussen und Frankreich wurde die Nord- und Westgrenze besetzt und den Wehrmännern Portofreiheit zugestanden. Ein ziviler Chef der Feldpost organisierte die regelmässige Postversorgung der Truppe und ihrer Dienststellen. 1889 wurde eine militärisch geführte Feldpost eingerichtet, die ihre Bewährungsprobe im Ersten Weltkrieg bestehen musste.
Für die Wehrmänner bestand Portofreiheit, die durch den Abschlag eines Einheitenstempels auf dem Brief / der Postkarte bestätigt wurde.
Abb. 4: Bundesfeierpostkarte ohne Wertstempel, versandt mit der Feldpost nach Caux bei Montreux im August 1918 ohne Datumsangabe. Die Bundesfeierpostkarten der Jahre 1914 - 1918 existieren auch ohne Wertstempel für die Feldpost (hier in anderer Farbgebung).
Durch Bundesratsbeschluss vom 15. September 1914 wurde auch den im Felde stehenden Wehrmännern Deutschlands, Frankreichs, Österreichs und Ungarns für den Verkehr mit ihren Angehörigen in der Schweiz eine eingeschränkte Portofreiheit gewährt. Zu den Angehörigen gehörten die Ehegatten, die Eltern, Grosseltern, Kinder und Geschwister des Wehrmannes (Namensgleichheit). Im Oktober 1914 wurden die gleichen Begünstigungen auch den zum Schweizerischen Heeresdienst einberufenen Wehrmännern, im Verkehr mit ihren Angehörigen in Deutschland, Frankreich, Österreich, Ungarn und Italien gewährt.
Abb. 5: Feldpostkarte des Sergeanten Jaquot Meng bei der Flieger-Abteilung Dübendorf vom 4. Juli 1917 an seinen Vater in Fellring im französisch besetzten Teil des Elsass. Der Absender war deutsch- schweizerischer Doppelbürger aus dem Elsass und befand sich zu Kriegsbeginn in der Schweiz, weshalb er hier eingezogen wurde. Die Postkarte an seinen Vater war portofrei (Namensgleichheit) und trägt den entsprechenden Einheitenstempel, sie lief über Frankreich und wurde dort zensiert.
(siehe: Reinhard Stutz; I. Weltkrieg: Taxierung im grenzüberschreitenden Feldpostverkehr; Post & Geschichte (2003))
Abb. 6: Feldpostkarte des Sergeanten Jaquot Meng bei der Schützen-Kompagnie II/7 vom 8. April 1917 an seine Verlobte in Hüsseren im französisch besetzten Teil des Elsass. Die Postkarte an seine Verlobte war nicht portofrei (keine Namensgleichheit) und trägt den entsprechenden Einheitenstempel, die Freimarke wurde nochmal in Scherzingen am Hauenstein entwertet.
Abb. 7: Postkarte aus Sembrancher, Wallis an Maurice Voulaz, ein schweizer Mitglied der französischen Fremdenlegion, versandt am 25. März 1915. Wurde bei der zivilen schweizer Post aufgegeben, ein Dienst unter fremder Fahne war in der Bundesverfasssung verboten. Dementsprechend gab es auch keine Portofreiheit.
Briefzensur ist ein weltweites Phänomen und wurde schon immer betrieben. In Kriegszeiten fand diese „öffentlich“ statt, der Empfänger wurde mit einem Zensurstempel (siehe auch franz. Zensurstempel in Abb. 5) über die erfolgte Zensur informiert oder der geöffnete Brief wurde mit einem Papierstreifen oder durch Wachssiegel verschlossen.
Abb. 8: Zensur in Russland; Eingeschriebener Brief von der kleinen Bahnstation Obidomo an der Bahnlinie Sysran - Wjasma an das Rote Kreuz in Genf vom 27. November 1914. Der Brief zeigt vorderseitig zwei Zensurstempel von St. Petersburg und rückseitig insgesamt drei Stempel von Petrograd zwischen dem 1.12. und 29.12.1914 sowie den Ankunftsstempel von Genf vom 27.12.1914. Der Transport vom Aufgabeort zum Zensurort Petrograd dauerte somit nur vier Tage, dann blieb der Brief aber 28 Tage liegen, bis er die Zensur durchlaufen hatte und es brauchte nochmals elf Tage für den Transport über Skandinavien, England und Frankreich in die Schweiz, total also 43 Tage.
In der Schweiz fand im Ersten Weltkrieg keine Zensur statt. Weder bei der Post im Inland noch aus oder in die Schweiz. Während der Spannungen zwischen der Deutsch-Schweiz und der Romandie wurden eine ganze Reihe von politischen Karten gedruckt, die man fast nie gebraucht findet, da sie ‚das Ansehen der Schweiz oder einer der Kriegsparteien herabwürdigen‘ und bei Versand von der Post eingezogen wurden. Sie wurden im eigentlichen Sinne also nicht zensiert, sondern einfach dem Empfänger nicht übergeben.
Abb. 9: Protestkarte aus Saignelégier, die nach der so genannte Obersten-Affäre im Jahr 1915 und den leichten Urteilen gegen die beiden Verräter den Tod von ‚Mademoiselle Neutralité Helvétia‘ in Form einer Trauermitteilung verkündet. Eine derartige Karte wurde normalerweise eingezogen. Hier lief sie als Drucksache jedoch unbehelligt von Cossonay in der Waadt nach Voiteur im französischen Jura.
Im Ersten Weltkrieg aber auch schon davor und danach nahm die Schweiz ganze Militäreinheiten auf, die sich hierher geflüchtet hatten wie die Bourbaki - Armee, dann entwaffnet und bis zum Kriegsende interniert wurden. Ähnlich verhielt es sich z. B. mit verletzten Soldaten im Ersten Weltkrieg, die nach Gefangennahme aus den Lazaretten im Feindesland in die Schweiz entlassen wurden und hier bis Kriegsende interniert und gepflegt wurden. Auch diese Internierten genossen Portofreiheit, wobei ein Stempel der Internierten-Verwaltung die Portofreiheit bestätigte.
Abb. 10: Bildpostkarte eines internierten französischen Kriegsgefangenen in St. Cergue bei Nyon an einen anderen in Leysin vom 11. September 1916. Der violette Handstempel „Internment des Prisonnieres de Guerre / St. Cergue p. Nyon - Suisse“ garantiert die Portofreiheit.
Während Pandemien und Seuchen kam es zu Quarantänemassnahmen bei Mensch und Tier. Beispielhaft möchte ich hier Karten aus der Zeit der Spanischen Grippe 1918/19 und der Maul- und Klauenseuche 1920/21 zeigen.
Wer während der Spanischen Grippe aus dem Ausland in die Schweiz einreiste, musste in Quarantäne. Diese Postkarte von der Quarantänestation Frauenfeld vom 17. März 1919 trägt eine entsprechende Soldatenmarke und geniesst offensichtlich Portofreiheit. Die Bildseite zeigt einen Teil des Personals der schweizer Gesandtschaft in Petrograd. Am 14. November 1918 mussten die sowjetischen Diplomaten aus der Schweiz ausreisen, im Gegenzug wurde die schweizer Gesandtschaft in Petrograd im Februar 1919 geschlossen. Die Angehörigen der schweizer Botschaft in Petrograd kamen am 12.3.1919 in Frauenfeld an.
Im Jahr 1920 brach die Maul- und Klauenseuche vor allem im Kanton Bern aus. Zum Schutz des Tierbestandes wurde auch die Post desinfiziert und die so behandelte Post mit entsprechenden Stempeln versehen.
Postkarte von Jegenstorf nach Basel, 14. April 1920. Durch die Viehseuche war Jegenstorf vom 20.3. bis 4.8.1920 isoliert. Ausgehende Post wurde desinfiziert und mit einem entsprechenden Handstempel markiert.
Postkarte Münchenbuchsee nach Galmiz bei Murten, 26. Juni 1920 In Münchenbuchsee selber gab es keinen Ausbruch der Seuche, die Karte stammt wahrscheinlich aus dem verseuchten Ort Zuzwil oder Umgebung.
(Siehe auch Stutz, Reinhard; Desinfizierte Post während der Maul- und Klauenseuche; Post & Geschichte Magazin (März 2011) S. 14-33)
Der Postverkehr konnte durch unterschiedliche Ereignisse unterbrochen werden. Seien es z. B. Kriegsereignisse selber resp. die Etablierung einer neuen Macht und die damit einhergehende Reorganisation des Postwesens. Oder ganz einfach die Isolation eines Landes.
Abb. 14: Brief von Genf nach Burshtyn vom 10.3.1915, vorderseitiger Handstempel „Service postal suspendu“, rückseitig weiter Stempel von Genf vom 27.3.1915. Wahrscheinlich hat der Brief Genf nie verlassen. Burshtyn liegt in Ost-Galizien, das zu Österreich gehörte, aber zu diesem Zeitpunkt von Russland besetzt war. Der Absender des Briefes versuchte daher, den Brief über Frankreich und Petrograd zu leiten, was auch nicht möglich war.
Auch nach dem Ende kriegerischer Ereignisse war manchmal kein Postversand möglich, wie z. B. nach Sowjetrussland bis Ende Mai 1920.
Abb. 15: Amtlicher Brief des schweizerischen Roten Kreuzes an das französische Konsulat in Odessa vom 27.4.1920, Rückkunft am 31.5.1920. Als Leitweg wurde Mailand und Konstantinopel angegeben, der Brief lief aber über Frankreich nach Grossbritannien, er trägt einen britischen „RETURN TO SENDER“ mit handschriftlichem Vermerk „Service suspended“ und den französischen „PAS DE COMMUNICATION“ sowie „RETOUR à L'ENVOYEUR“.
Zusammenfassung: Wer die vorlegenden Belege nochmal Revue passieren lässt, erkennt sehr schnell, dass das verbindende Element zusätzliche Nebenstempel sind, die für diese aussergewöhnlichen Situationen geschaffen wurden resp. die veränderten Bedingungen des Postverkehrs erklärten. Die grosse Vielfalt an derartigen Stempeln und die ihnen zugrundeliegenden aussergewöhnlichen Situationen machen den Reiz aus, der in diesen postgeschichtlichen Sammlungen liegt.