Die Vorphilatelie der Schweiz fängt in der alten Eidgenossenschaft an. Diese stellt in Ihrer Form ein lockerer Staatenbund. Diese ist definiert von den ersten Bündnissen im 13/14 Jahrhundert bis zum Einfall der Franzosen 1798 mit dem Beginn der Helvetischen Republik, welche 1803 endete. Der Bundestaat entstand 1850, womit auch die Vorphilatelie endet.
Die Vorphilatelie ist Postgeschichte pur. Nur schon der Briefaustausch zwischen Absender und Empfänger war ein Komplexes unterfangen. Die überwiegende Anzahl der Briefe vom 17 bis ins 19. Jahrhundert, wurden bis 1850 unfrankiert versendet. Es bestand oft nicht die Möglichkeit das Porto im Voraus zu bestimmen. Die komplizierten Postverhältnisse der unterschiedlichen Rechteinhaber stellten bei der Berechnung des Porto für Briefen über Staatsgrenzen hinaus, ein teils unmögliches Unterfangen dar. Erst später so ab 19. Jahrhundert konnte man je nach Bestimmungsort auch Barfrankierte Briefe (Vorausbezahltes Porto = FRANCO) versenden. Bedingung war jedoch, dass die zwischenstaatlichen Postverhältnisse der Absender und der Empfangsstelle über einen Postvertrag geregelt waren.
Unfrankierte Briefe aus dieser Zeit beinhalten daher alle Gebühren der einzelnen Posthoheiten und wenn der Brief abgeliefert wurde, zahlte der Empfänger den Endbetrag. So war auch sichergestellt, dass der Brief dem Empfänger überbracht wurde. Die eingezogene Taxe wurde dann rückverteilt, resp. über die Vergütungslisten unter den im Postweg involvierten Postverwaltungen abgerechnet.
Zürich. 20 August 1785, via Basel nach Mariaking im Elsass. Porto von Zürich nach Basel 4 Kreuzer, Basel erhält von Frankreich 6 Kreuzer und Frankreich verlangte vom Empfänger 13 Sols (Rückseitig).
Briefe aus dieser Zeit welche über weitere Strecken versendet wurden und mehrere Staaten und damit meist auch unterschiedliche Posthoheiten durchquerten, verlangen auch einem Spezialisten in Postgeschichte, viel Wissen und schweisstreibende Abklärungen ab. Einerseits muss er die Tarifstrukturen und die Postverhältnisse kennen, andererseits musste er sich im Währungswirrwarr der alleine in der Schweiz, teils knapp 300 unterschiedlichen Währungen auskennen. Er muss auch die Stempel deuten können und die damit verbundenen speziellen Servicedienstleistungen. So kann eine Abstempelung aufzeigen, dass ein Brief (nachfolgende Abbildung) nicht über die normalen Postkutschenkurse gelaufen ist, sondern über eine separate Stafette, transportiert wurden.
Luzern 12. März 1799, vom Kriegsminister in Luzern an die Verwaltungskammer des Kantons Zürich. Roter Stempel « EXTRA COUIRIER» und handschriftlicher Vermerk «trés pressé».
Wurden die Briefe auch noch ins Ausland versendet, wo verschiedene ausländische Währungen involviert waren, kann eine Abklärung schon mal einige Wochen pro Brief in Anspruch nehmen und oftmals sind mehrere Spezialisten, die sich in der Schweizerischen Vereinigung für Postgeschichte zusammengetan haben, mit ihrem Spezialwissen über Teilgebiete gefordert. Auch die Stempel sind nach Ihrer Herkunft zu bestimmen und selbstverständlich müssen oft alle Vermerke analysiert werden. Sie geben meist den Hinweis, welchen Weg der Brief genommen hat. An ausländische Destinationen sind seit der Möglichkeit, Briefe bar bezahlt (im Voraus bezahlt) versenden zu können, häufig auch Teilfrankaturen anzutreffen. Der Brief wurde dann bis zum Postvertraglich abgemachten Punkt, wie Franco Grenze, Ausschiffungshafen oder auch Einschiffungshafen, bar bezahlt. Die Reststrecke musste der Empfänger bezahlen.
Zürich 24. April 1846, nach Rio de Janeiro für Streifband im dritten Gewicht mit bezahltem Porto bis Ausschiffungshafen in Rio (Rückseitig sind 192 Rappen und Rundstempel «Bureau Maritim, Havre» Der Empfänger bezahlte für die Hafengebühr und die Zustellung im Inland und wurde mit 240 Reis belastet. Roter Teilfranko Stempel: «P» im doppelten Quadrat.
Auch scheinbar unfrankierte Briefe, ob nun aus der Zeit der Vorphilatelie oder danach, haben Ihren Charme, vor allem für Heimatsammler sind sie wichtige Sammlungsstücke.
Barfrankierter (Rückseitiger Vermerk) Inland Vorphilatelie-Brief von 1847 aus Colombier/Neuchâtel nach Neuville/Bern. Frontseitig: links unten FRANCO für bezahlt. Neben dem Abgangsstempel der Kreisrunde P.P für Porto bezahlt. Rückseitig: Die vermerkte vorausbezahlte Taxe von 4 Kreuzern für den Briefversand.
Es ist leicht zu erkennen, die Inland Briefe haben oft keine grossen Auffälligkeiten. Sucht man solche Briefe, achten Sie auf das P.P. und auf das FRANCO, als Stempel oder Handschriftlich.
Es geht aber auch auffälliger. Untenstehender Briefe ins Ausland ist dann schon etwas augenfälliger., alle Stempel in rot, es gilt die gleiche Vorgehensweise. P.P. und Franco suchen.
Wenn dann noch Charge und weitere Stempel drauf sind, um so besser.
Zürich 9. Dezember 1844 als vorausbezahlter (rotes FRANCO) und Einschreibebrief nach Paris. Rückseitig ist auf dem Brief die Taxe von 120 Rappen vermerkt. Vorderseitig sind mit dem 7 AED die Französischen Gebühren von 7 Dezimen vermerkt, welche Frankreich aus Basel erhalten sollte. Der Brief kostet in der Schweiz 8 Kreuzer bis Basel, die 7 Dezimen entsprachen 14 Kreuzer, zusammen waren dies 22 Kreuzer. Die Einschreibegebühr führte zu einer Verdoppelung der Taxe, demnach 44 Kreuzer oder umgerechnet 120 Rappen.
Erst als die Kantone Zürich und Genf im Jahre 1843 und später noch Basel 1845 Ihre ersten Kantonalmarken herausgaben, wurde das baldige Ende der Vorphilatelie eingeläutet. Doch Briefe ausserhalb des lokalen Porto oder bis ins Ausland wurden auch zu dieser Zeit noch unfrankiert oder Barfrankiert (vom Absender am Schalter bar bezahlt) versendet. Selbst in der Anfangszeit der Bundespost, ab 1850, wo die Vorphilatelie gänzlich endet, sind nach wie vor sehr viele Briefe unfrankiert versendet worden.
Dies war bedingt durch die kleinen Werte auf den Briefmarken und des hohen Portos ins Ausland, welches nicht mit einer Übermenge an Marken hätte gedeckt werden können.
Hinweis:
Oftmals werden Briefe aus der Markenzeit, welche unfrankiert aufgegeben wurden als Vorphilatelie Briefe behandelt, dies ist grundsätzlich falsch. Es handelt sich dann um unfrankierte oder barfrankierte Briefe. Siehe dazu Postgeschichte: «Porto, Franco, Teilfrankiert». Den Spezialisten freut es, denn Vorphilatelie Briefe sind oftmals nicht teuer. Aber je Später ein unfrankierter Brief aufgegeben wurde, desto seltener werden sie. Und wie das so ist, Seltenheiten sind, wenn sie erkannt wurden, oft nicht mehr günstig zu haben.