Von der Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte zur Hasler AG (II)

Gustav Adolf Hasler strebte nach mehr Selbständigkeit. Mit seinen Brüdern kaufte er in Aarau Land, um eine Werkstätte zu gründen. Sechs Tage nach Hipp, am 26. Juli 1860, ersuchte er um Entlassung aus seiner Stelle, die ihm wie Hipp "in allen Ehren und unter Verdankung der geleisteten Dienste" gewährt wurde. Aber man besann sich dann anders. Das Finanzdepartement konnte ihn bestimmen, die Ernennung zum Chef der Telegraphenwerkstätte anzunehmen, die er ab September 1860 innehatte. Vom Nettogewinn der Werkstätte bezog er eine Provision von 25%

Ab 1861 kommt der Stempel "Telegraphenwerkstätte" (AW Gruppe 152 F) vor; siehe Abb. 3. Die Abb. 4 zeigt die Innenseite dieses Briefes mit der Unterschrift G. Hasler.

Für den Philatelisten ist die Werkstätte noch in anderer Beziehung bemerkenswert. Nach dem Geschäftsbericht des Bundesrates für 1862 wurde unter anderem eine "Presse zum Durchlöchern der Frankomarken-Ränder für die Eidgenössische Münzstätte" ausgeführt. Die Münzstätte stellte seit 1854 die Strubel-Marken her (Berner Druck). Ab 1. Oktober 1862 erschien die Ausgabe "Sitzende Helvetia gezähnt". An der Einführung der Zähnung war also auch die TelegraphenwerkStätte beteiligt!


Abb. 3

Abb. 4

Im Jahre 1862 konnte die Werkstätte endlich passende Gebäude an der Vannazhalde, unterhalb des heutigen Bundeshauses West, beziehen, die von der Stadt Bern mietweise zur Verfügung gestellt wurden. Die Belegschaft von 45 Personen hatte nun genügend Platz. Auch unter Hasler stellte die Werkstätte nicht nur Telegraphenapparate her. Tatsächlich arbeitete sie nur etwa 25% für die Eidgenossenschaft. Besonders erfolgreich war Hasler mit seinen selbstregistrierenden meteorologischen Instrumenten, die er auf Wunsch von Prof. Wild, Direktor der Sternwarte Bern, und Prof. Mousson in Zürich an fertigte. Für diese Leistungen erhielt er später (1875) den Ehrendoktor der Universität Bern. Die ausseramtliche Tätigkeit der Werkstätte gab in den eidgenössischen Räten zu reden, aber National- und Ständerat sprachen sich schliesslich im Dezember 1864 gegen das Postulat der nationalrätlichen Budgetkommission aus, diesen Zweig der Verwaltung der Privatindustrie zu überlassen. Der Bundesrat fand aber, dass diese Frage in den Räten früher oder später wieder aufgeworfen würde, und brachte die Angelegenheit aus eigenen Stücken zum baldigen Abschluss. Das Mobiliar und die vorhandenen Materialien der Telegraphenwerkstätte gingen auf den 1. Januar 1865 an die Herren Gustav Adolf Hasler und Heinrich Albert Escher, Münzdirektor, über. Der Verkaufsvertrag wurde erst ab 7. April 1865 abgeschlossen. Der Mietvertrag mit der Stadt Bern über die Lokalitäten lief weiter.

Eidgen. Telegraphenwerkstätte G. Hasler & A. Escher

Wie sich Hasler und Escher fanden, ist nicht näher dokumentiert. Vielleicht lern11 ten sie sich bei der Zusammenarbeit für die Zähnung der Frankomarken näher kennen. Albert Escher, geboren 1828, war 1859 zum Direktor der Eidgenössischen Münzstätte gewählt worden. Die Münzstätte betrieb im Marzili, in der Nähe der Telegraphenwerkstätte, eine mechanische Briefcouvert- und Markenfabrik. - Die Überführung eines staatlichen Unternehmens, der Telegraphenwerkstätte, in private Hände ist wahrscheinlich in der Schweiz ein Unikum. Das grosse Gegenstück stellt die Verstaatlichung der Schweizerbahnen dar, welche 1900 eingeleitet wurde.
Für Hasler erfüllte sich nun der Wunsch, selbständig zu werden, den er fünf Jahre früher beinahe verwirklicht hatte. Er konnte die Werkstätte, deren Teilhaber er nun war, in den folgenden Jahrzehnten zu hoher Blüte führen. Die Telegraphenverwaltung verpflichtete sich 1865, auf die Dauer von fünf Jahren Apparate und Zubehöre im Betrage von wenigstens Fr. 20000.- durch die Werkstätte ausführen zu lassen. Dies stellte die Hälfte des für 1865 in der Rubrik "Apparate" budgetierten Betrages dar. Das übrige Fabrikationsprogramm wurde beibehalten und mit der Zeit noch ausgedehnt, u.a. durch telegraphische Wasserstandsmelder und verbesserte meteorologische Instrumente für Aufzeichnungen im Gebirge, sowie Postschliessfächer.


Abb. 5

1870 erteilte die Oberpostdirektion der eidgenössischen Münzstätte die Bewilligung, Frankocouverte zu verfertigen, welche die Angabe der Firma des Versenders enthielten. Unter den Firmen, welche solche Umschläge bestellten, befand sich unter den obwaltenden Umständen natürlich auch die Telegraphenwerkstätte. Die Abb. 5 zeigt einen Tüblibrief (Ganzsachen-Hatalog Nr. 9) mit folgender Aufschrift nebst Verzierungen in blassrosa: "Eidgen. TelegraphenWerkstätte G. Hasler & A. Escher - Bern - Telegraphische Apparate, Utensilien u. Batterien Einrichtungen u. Uhren, meteorologische Registrierinstrumente — Elektrische Instrumente, mechanische Arbeiten aller Art". Die Münzstätte stellte von 1868 bis 1886 auch die schweizerischen Telegraphenmarken her.

Gustav Adolf Hasler verheiratete sich erst 1875 mit Elisabeth Jaumann, deren Mutter am Bollwerk eine Speisewirtschaft führte. Dem Ehepaar wurde am 28. Oktober 1877 ein Sohn geboren, der wie der Vater auf die Namen Gustav Adolf getauft wurde.

Die Werkstätte wurde das Ziel vieler junger strebsamer Leute. Nach einem Reisebericht aus dem Jahr 1874 arbeitete auch der Schwede Lars Magnus Ericsson bei Hasler & Escher. Er gründete 1876 in Stockholm eine Instrumentenwerkstätte, die heute weltbekannte L.M. Ericsson AB.

 Abb. 6

Die schwedische Post gab 1976 zu seinen Ehren eine Briefmarke heraus. (Abb. 6)

Alexander Graham Bell entwickelte 1876 das Telephon zu praktischer Brauchbarkeit. Schon am 6. Dezember 1977 offerierte die Telegraphenwerkstätte Hasler & Escher im "Bund" Telephon-Fernsprecher "zum Preise von Fr. 18.— das Paar sammt nöthigem Leitungsdraht". Die Telephonie wurde für die Weiterentwicklung der Firma unter dem Sohn Haslers von entscheidender Bedeutung.

Um diese Zeit wurde Albert Escher schwer krank, und Gustav Hasler musste die Firma alleine führen. In aller Freundschaft führten die Teilhaber 1879 das Unternehmen in den Alleinbesitz von Gustav Hasler über. Albert Escher starb Ende 1879 im Alter von erst 51 Jahren. Die Firma hiess nun "Telegraphen-Werkstätte von G. Hasler".

Abb. 7

Hasler AG

Gustav Hasler war es vergönnt, sein Unternehmen bis zum Ende des Jahrhunderts zu führen. Damals wurden gegen 100 Leute beschäftigt. 1894/95 wurde eine Fabrik auf eigenem Grund und Boden gebaut. Unerwartet erkrankte Gustav Hasler Ende 1899 und erlag am 5. Januar 1900 einer Lungenentzündung. Der 22jährige Sohn musste nun die Leitung der Werkstätte übernehmen. Er wandelte die Firma 1909 in eine Aktiengesellschaft um; er verblieb aber der wirkliche Besitzer. Für die weitere Geschichte des Unternehmens sei auf die Jubiläumsschriften der Hasler AG verwiesen. Im folgenden werden noch einige in diesem Zusammenhang interessante philatelistische Einzelheiten erwähnt.
Auch die Hasler AG machte von der Möglichkeit Gebrauch, Privatumschläge mit einem Wertstempel bedrucken zu lassen, die ab 1907 (siehe Ganzsachen-Katalog) bestand. Aus dem Jahre 1911 liegt ein Umschlag der Ausgabe 1909 vor, der wohl in grosser Anzahl noch von der Umwandlung in eine AG bestellt wurde, denn er trägt noch die frühere Firmenbezeichnung; siehe Abb. 7. Auch Marken mit Firmenlochung der Hasler AG sind bekannt, wie Abb. 8 zeigt. Die Lochung stellt die Buchstaben GH dar. 1922 nahm die Firma die Fabrikation von Frankiermaschinen auf. Als Beispiel sei ein Umschlag der Hasler AG aus dem Jahre 1971 mit maschineller Frankierung angeführt; siehe Abb. 9. Die von Hipp gegründete Firma in Neuenburg wurde 1927 unter der Bezeichnung FAVAG SA von der Hasler AG übernommen.

Abb. 8

Abb. 9

Literatur 

  • Hundert Jahre elektrisches Nachrichtenwesen in der Schweiz 1852 - 1952. Band I, Telegraph. Herausgegeben von der Generaldirektion PTT, Bern 1952. 
  • Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 12. Matthias Hipp 1813 - 1893. Von W. Keller und H.R. Schmid. Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich 1961. 
  • Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 14. Gustav Adolf Hasler 1830 - 1900. Gustav Hasler 1877 - 1952. Die Stiftung Hasler-Werke. Von W. Keller Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich 1963. 
  • Hasler 1852 - 1952. Hundert Jahre Fernmeldetechnik und Präzisionsmechanik. Von verschiedenen Autoren. Hasler AG, Bern 1952. 
  • 125 Jahre Hasler. Sondernummer zum 125jährigen Bestehen der Hasler-Werke. Hasler Mitteilungen, 36. Jahrgang, Nr. 3, September 1977. 
  • Un pionnier europeen de la telegraphie ölectrique (SteinheU). Par E. Riquart. Diligence d'Alsace No. 5, 1971.

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