Das Reisen mit der Postkutsche

Die wichtige und überaus gut organisierte Fischer'sche Post hatte früh erkannt, dass sich nicht nur mit der Besorgung der Briefe, sondern auch mit der Beförderung der Personen auf den Postwagen Geld verdienen Hess. Schon aus der Zeit der Alten Eidgenossenschaft ist ein Passagier-Billet einer Fahrt vom 8. August 1786 aus Lausanne erhalten geblieben (Abb. 1). Hier in Lausanne fand der Reisende zwischen den verschiedensten Packereien seinen Platz auf dem fahrplanmässigen Postwagen der Fischer'schen Post und erreichte mit diesem die Stadt Basel mit den Anschlüssen nach Frankreich und zur Kaiserlichen (Deutschen) Reichpost von Thurn und Taxis. Mag der Reisende bei dieser Sommerfahrt auch über das schlechte Wetter nicht geklagt haben, so Hessen doch die unausgebauten Strassen und die noch unbekannte Federung beim Wagenbau diese Fahrt wohl zu einer Tortur werden. Ein uns bekannter Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozart beschrieb sein Erlebnis in 1781 wie folgt: «Bis Unterhaag bin ich mit dem Postwagen gefahren. Da hat mich aber mein Arsch und dasjenige, woran erhänget, so gebrennt, dass ich es unmöglich hätte ausholten können . . .» Für das Reisen am Rhein sollte es noch über 3 Jahrzehnte dauern bis zum Eintritt ins Postkutschenzeitalter. Die Revolutionskriege, die Zeit Napoleons und die sich anschliessenden Hungerjahre wurden durchlebt. Erst danach erkannte man auch am Rhein die Vorteile für das Verkehrswesen dank ausgebauter, chaussierter Strassen. Die Erfindung

der elliptischen Feder hatte den Wagenbau zudem entscheidend verändert. Zusammen ermöglichte dies den Bau eines völlig neuen Postkutschentyps. Während die schweren Wagen weiterhin die Packereien beförderten, wurden jetzt einzig für den Personenverkehr vielbewunderte, leichte, in den Federn hängende vierspännige Wagen als «Schnellposten» (im süddeutschen Raum «Eilwagen» genannt) auf den stark befahrenen Strassen eingesetzt. - Preussen begann am 1.4.1819 auf der Strecke Berlin - Magdeburg, es folgte Coblenz-Cöln, Baden und Württemberg übernahmen 1822, Bayern 1825.


ten. Sie kamen über Aachen und Cöln, um den romantischen Rhein und weiter die gewaltigen Berge in der Schweiz zu sehen. Für sie wurden die verschiedensten Reiseführer vom Rhein und der Schweiz mit den heute so beliebten Stahlstichen und Lithographien gedruckt. Erst diese Techniken ermöglichten es, Bilder in hohen Auflagen für das breite Publikum zu produzieren. Ein Beispiel zeigt die Lithographie «Interieur d'une diligence» aus der französischen Zeitschrift «Charivar» aus 1835 (Abb. 3). Ein atypischer Beleg allerdings, wird doch sonst das Biedermeier romantisch und verklärt dargestellt.
Zu einer der vielbefahrenen Poststrassen zählte die Strecke von Basel nach Heidelberg. Von der Reise mit dem Badischen Eilwagen blieb uns das in Abb. 4 gezeigte Passagier-Billet erhalten. Für die Strecke über 361/2 Meilen = ca. 275 km wurden 32 Btz. berechnet. Der von der badischen Station in Basel als «Frankfurter = Postwagens = Expedition» bezeichnete Eilwagen lief bis Heidelberg durch. Auf den dazwischenliegenden 15 Pferdewechselstationen erhielt die Kutsche jeweils frischen Postvorspann mit neuem Postillion. Der Postconducteur reiste als Begleiter im Wagen mit. In Heidelberg bestand Anschlussmöglichkeit zum Thurn und Taxis-Eil wagen nach Frankfurt. Wenn um 1830 auf der badischen Strecke am Rhein die Eilwagen erst wenige Jahre etabliert waren, so sollte es nicht mehr lange dauern, bis die erste Eisenbahn auf dieser Route verkehrte. Der Reisebeleg von Schliengen bis Basel


(Abb. 5) soll hier näher erklärt werden. Mitte Juni 1847 war die Strecke der Badischen Staatseisenbahn von Mannheim bis Schliengen fertiggestellt. Auch Oos - Baden war im Betrieb. So bestand eine durchgehende Streckenverbindung von Baden bis Schliengen «bis vor die Tore der Stadt Basel». Nur das letzte Eisenbahn-Teilstück Schliengen - Basel fehlte noch. Hier wurde noch die Postkutsche gebraucht. Da im Grossherzogtum Baden Eisenbahn und Post in den Händen des Staates lagen und zu jener Zeit auch organisatorisch verbunden waren, konnte ein kombiniertes Eisenbahn-Post-Reisebillet herausgegeben werden. In Baden auf dem Bahnhof wurde es dem Reisenden verkauft. Am oberen Rand lassen Fragmente erkennen, dass hier die abgetrennten Eisenbahn-Quittungen waren. Vom Baden-Bahnhof fuhr der Reisende per Eisenbahn nach Oos, dort stieg er auf die Strecke nach Süden um und erreichte die Eisenbahn-Endstation Schliengen. Im Sommer 1847 brachte ihn noch der Eilwagen nach Basel. Ein Jahr später im August 1848 war auch das letzte Teilstück Schliengen - Basel dieser Eisenbahnstrecke fertiggestellt, womit hier das Postkutschenzeitalter schon endete.