Dänische Postreform: Etwas ist schockierend im Staate Dänemark
[Originaltitel: "Danish Postai Reform: Something is Shocking in the State of Denmarkl]
Vorwort und Verdankung
Dieser Artikel ist im The London Philatelist, Band 133, Ausgabe März 2024, Nr. 1513, Seiten 133-104 to 133-110, erschienen und beschreibt die weitreichenden Konsequenzen einer politischen Entscheidung. Könnte dies auch in der Schweiz passieren? ist eine naheliegende Frage...vielleicht wäre dann ein «Philatelisten-Referendum» die einzige Möglichkeit, um eine düstere Zukunft abzuwenden!
Wir danken dem Sekretär der Royal Philatelic Society London, Steven Harrison, für die Erlaubnis Auszüge dieses Artikels in der heutigen Ausgabe der Postgeschichte wiederzugeben (Übersetzung und Anpassung Jean-Louis Cordier und Jürg Roth).
Die Dänische Post
"Post Danmark" in ihrer heutigen Form wurde 2009 nach der Fusion mit dem schwedischen Postunternehmen "Posten AB" gegründet. Im Anschluss an die Fusion wurde die Holdinggesellschaft "PostNord AB" gegründet, an der Schweden und Dänemark mit 60 % bzw. 40 % beteiligt sind. Die Stimmrechte sind zu gleichen Teilen aufgeteilt. Bis zum 31. Dezember 2023 besass das Unternehmen eine Lizenz der dänischen Regierung und war damit verpflichtet einen Universaldienst für die Zustellung von Post zu gewährleisten. Diese Verpflichtung sollte «den Zugang zu allen Diensten der Post, einschließlich z. B. der Zustellung von Briefen bis zu 2 kg und Paketen bis zu 20 kg, zu erschwinglichen Preisen im gesamten dänischen Hoheitsgebiet an mindestens fünf Tagen pro Woche» gewährleisten.
Zwischen 2017 und 2019 hatten die dänischen und schwedischen Behörden "Post Danmark" rund 160 Mio. EUR (150 Mio CHF) gewährt, dies zur Unterstützung des Wandels und zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen. Ab 2020 erhielt das Unternehmen auch einen Ausgleich vom dänischen Staat, um die Verluste, die sich aus der Verpflichtung zum Universaldienst ergaben, zu decken. Für 2023 wird diese Kompensation auf 150 Mio dänische Kronen (DKK) (141 Mio CHF) geschätzt.
Wie aus einer Pressemitteilung vom 30. November 2023 von "PostNord" hervorgeht, ist der Briefverkehr in Dänemark seit der Jahrtausendwende um mehr als 90% zurückgegangen.
Ein Grund dafür ist die landesweite Einführung eines generalisierten Zuganges zu einem digitalen Briefkasten mittels digitaler Identität (MitID - My ID), die alle Dänen über 15 Jahren besitzen. Das dänische Parlament verabschiedete im Juni 2012 das «Gesetz über die öffentliche digitale Post» welches besagt, dass Bürger und Unternehmen einen digitalen Briefkasten besitzen müssen. Dieser soll dazu dienen digitale Nachrichten, Briefe, Dokumente usw. von Behörden zu erhalten, anstelle von per Post verschickter Papierdokumente. Dieses Gesetz trat am 1. November 2013 für Unternehmen und am 1. November 2014 für Bürger in Kraft. Es ermöglicht somit die Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen für alle Geschäfte und Dienste. Im gesamten öffentlichen Sektor ist die Kommunikation in Papierform eher die Ausnahme als die Norm, und es wird erwartet, dass der Anteil der digitalen Kommunikation bis Ende 2023 über 80 % erreichen wird. Im Durchschnitt werden jedoch immer noch täglich 600.000 Briefe aufgegeben. "Post Danmark" garantiert die Zustellung von Inlandsbriefen innerhalb von fünf Tagen, was bedeutet, dass die meisten dänischen Haushalte bestenfalls zweimal pro Woche beliefert werden.
Eine Politische Entscheidung und erste Konsequenzen
Am 27. Juni 2023 schlugen die drei Parteien der dänischen Koalitionsregierung, unterstützt von fünf Oppositionsparteien, eine Änderung des Postgesetzes vor. Dieser Vorschlag sah vor die Verpflichtung zum Universaldienst aufzuheben was konkret bedeutete, dass weder "PostNord" noch ein anderes Unternehmen verpflichtet gewesen wäre, Post im ganzen Land zuzustellen. Der Verkehrsminister Thomas Danielsen erwartete, dass die dänische Öffentlichkeit dadurch billigere Postdienste erhalten würde. Er sagte: „Ich bin nicht für die Preisgestaltung privater Unternehmen zuständig, aber ich erwarte, dass der Wettbewerb für bessere und billigere Preise und Dienstleistungen sorgen wird, so wie wir es im Bereich Paketpost, im Telekommunikationsbereich und in vielen anderen Bereichen gesehen haben ". Er fügte hinzu: „Es ist sehr wichtig, dass wir es für alle Brief- und Paketzusteller gleichermaßen attraktiv machen, diesen Dienst anzubieten - auch in ländlichen Gebieten. Sonst könnte es schliesslich dazu kommen, dass in ländlichen Gegenden unterschiedliche Dienstleistungen im Vergleich zu städtischen angeboten würden„.
Die Gesetzgebung wurde schließlich am 30. November 2023 verabschiedet, und diese radikale Änderung trat dann am 1. Januar 2024 in Kraft. Gleichzeitig wurde das Inlandsporto mehrwertsteuerpflichtig, was zur Folge hatte, dass alle dänischen Briefmarken, die von 1933 bis 2023 ausgegeben worden waren, für Post im Inland für ungültig erklärt wurden. Diese kurzfristige Demonetisierung sorgte sowohl in der Wirtschaft als auch in privaten Kreisen für Aufregung, zu denen auch der dänische Philatelisten Verband, der Verbraucher-Ombudsmann und Rechtsanwälte gehörten.
Daraufhin erklärte Andreas Brethvad, Pressesprecher von "PostNord", am dänischen Radio, dass es bis zum 30. Juni 2024 möglich sein würde, Briefmarken von 2022 und 2023 mit einem Gesamtwert von mehr als 120 DKK gegen eine Gebühr von 50 DKK umzutauschen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels galt diese Zusage allerdings nur für Briefmarken mit einem Nennwert von 12 bzw. 36 DKK.
Für "PostNord" gilt jedoch weiterhin die Verpflichtung, einen Universaldienst für internationale Sendungen anzubieten. Dieser unterliegt nicht der MWSt. und bedeutet, dass alle dänischen Briefmarken ab 1933 bis 2023 für ausländische Sendungen gültig bleiben. Der Standardsatz der MWSt. beträgt in Dänemark 25 %.
Ein Rattenschwanz an Konsequenzen
Diese Änderungen haben auch andere Konsequenzen:
- "PostNord" plant das bereits dünne Netz von 6000 Briefkästen im kommenden
Jahr, um weitere 1000 zu reduzieren.
- Bjarne Heck von "Fyns Frimrke Service", ein bekanntes dänischen Handels‑
und Auktionshaus, besass Briefmarken für seinen eigenen Postbedarf im Wert von 200'000 DKK (ca. 25'000 CHF). Fast alle diese Marken wurden über Nacht wertlos. Diese Geschichte machte Schlagzeilen und bewog "Post Danmark" (100%-ige Tochtergesellschaft von "PostNord") "Danmarks Frimrkehandler- Foreining", eine Organisation welche 32 dänische Philatelie-Unternehmen vertritt, für dringende Gespräche am 11. Januar 2024 einzuladen.
- DAO, auch bekannt als "Bladkompagniet A/S", ein 1920 gegründetes
Unternehmen, das unter anderem jede Nacht fast 400.000 Zeitungen und Zeitschriften verteilt, hat sich bereit erklärt, Briefe mit gedruckten Etiketten für ein vorausbezahltes Porto von 20 Kronen im Inland zuzustellen. Einzelheiten sind nicht bekannt, aber auf der Website des Unternehmens heißt es, dass sie „jede Nacht, 7 Tage die Woche, in ganz Dänemark Briefpost zustellen".
Das Versenden von Geburtstags- und Weihnachtskarten, vor allem nach Übersee, ist immer seltener geworden. Es wird erwartet, dass die derzeitigen Änderungen zu einem weiteren Rückgang der Briefpost im Inland und nach Übersee führen werden.
Für moderne Gedenk- und Dauermarken gab es schon immer eine Limite zwischen Preis, sprich deren Nennwert, und dem reduzierten Preis, den kommerzielle Organisationen bereit waren zu bezahlen, um sie zu Frankaturzwecken zu erwerben. Da die meisten dänischen Briefmarken nun keinen kommerziellen Wert mehr haben, bleiben wohl nur Sammler als wahrscheinliche Käufer.
Die dänische Regierung beabsichtigt, folgende Bereiche der Dienstleistungen auszuschreiben: Post in den Inselgemeinden, kostenlose Zustellung für Blinde und internationaler Postverkehr, wobei bisher noch kein Zeitplan festgelegt wurde. Die Inlandspost, hingegen, soll gemäss Angebot des freien Marktes funktionieren, ohne Verpflichtung zum Universaldienst.
"PostNord" hat sich auf eine Übergangslösung geeinigt, um seine Dienstleistungen, einschließlich der drei ausgeschriebenen Elemente, fortzuführen. Gleichzeitig hat das Unternehmen aber deutlich gemacht, dass es „sich weiterhin verstärkt auf den Paketmarkt konzentrieren wird". Der amtierende CEO von "Post Danmark", kommentierte: „Während des politischen Prozesses haben wir auf die Folgen der Abschaffung des Universaldienstes hingewiesen - sowohl für die Dänen als auch für unsere Präsenz auf dem Briefmarkt". Er fügte hinzu, dass „das Briefgeschäft von "PostNord", so wie wir es heute kennen, langfristig nicht Teil des Geschäfts bleiben wird". Außerdem „bedeutet die Digitalisierung der Gesellschaft, dass die flächendeckende Zustellung von Briefen wirtschaftlich nicht mehr tragfähig ist".
Auch die Briefkastendienste, die Postaufbewahrung und die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften dürften bis Ende 2024 eingestellt werden.
Die dänische Postaufsichtsbehörde wird ihre Überwachung verstärken, um sicherzustellen, dass der Markt einen landesweit einheitlichen Dienst erlaubt. Sollten Mängel festgestellt werden, kann das Verkehrsministerium einen Postbetreiber mit der Erbringung dieser Dienste beauftragen.
Die jährliche Ausgleichszahlung der Regierung an "PostNord" wurde abgeschafft, und am 1. Januar 2024 traten neue Inlandsposttarife in Kraft.
Konsequenzen in der täglichen Anwendung
Die Inlandstarife wurden mit 25 DKK (3.2 CHF) somit mehr als verdoppelt, wobei die erste Gewichtsklasse vereinfacht und auf 100g ausgeweitet wurde. Der Grundtarif für Auslandsbriefe bis 100 g wurde vor dem 1. Januar 2024 um 36 auf 50 DKK erhöht (ohne Mehrwertsteuer; 6.40 CHF). Briefe über 100 g und bis zu 250 g kosten nun 100 DKK und bis 2000 g 150 DKK. Dies hat zur Folge, dass Dänemark wahrscheinlich der teuerste Postdienst der Welt ist.
Es wurden zwei neue Briefmarken herausgegeben, die von Bertil Skov Jorgensen entworfen wurden und sich an den seit 1905 erscheinenden „Wellenlinien"-Marken orientieren: 25 DKK für „INDLAND" (Inland) und 50 DKK für „UDLAND" (Ausland).
Abbildung 1. Briefmarken für In- und Ausland mit den neuen Tarifen, herausgegeben am 2. Januar 2024.
Torben Lethraborg, Redakteur der Dansk Filatelistisk Tidsskrift, kommentierte in der Ausgabe 6 von 2023: „Man könnte meinen, dass man die 50 DKK-Briefmarke für Inlandspost mit einem Gewicht zwischen 100 und 250 g verwenden kann - aber das geht nicht, da die Mehrwertsteuer nicht darin enthalten ist. Sie müssen also mit zwei 25 DKK-Marken bezahlen. Und noch schlimmer ist es, wenn man einen Brief ins Ausland für 50 DKK mit zwei 25 DKK-Marken frankiert, denn dann bekommt "PostNord" für seine Dienstleistung 10 DKK zu wenig, da die Mehrwertsteuer auf beide 25 DKK-Marken bezahlt werden muss.
Eine weitere Folge der Abschaffung der Verpflichtung zum Universaldienst ist, dass "PostNord" seine neuen 25 DKK-Frankieretiketten nicht mehr als 'Briefmarken' bezeichnen darf. Das dänische Wort für Briefmarken ist 'Frimrker', und nach Paragraf 13 des Verbrauchersteuergesetzes sind diese von der Mehrwertsteuer befreit. Um dem Steuerrecht zu entsprechen, müssen die neuen Briefmarken, einschließlich des HAFNIA 24 - Blocks, nun als 'Postm&rke' (Postetiketten) bezeichnet werden.
Das hat einen dänischen Humoristen dazu veranlasst, Magritte zu plagiieren...
Abbildung 2. In Anlehnung an das Werk des surrealistischen Künstlers Rene Magritte aus dem Jahr 1929 «Ceci n'est pas une pomme» nun die Aufschrift «Ceci n'est pas un timbre» (Dies ist keine Briefmarke).
Natürlich kann man die 50 DKK-Etiketten immer noch als Briefmarken bezeichnen, da sie nicht mehrwertsteuerpflichtig sind!
Dänemark hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen rasanten Wandel der digitalen und Online-Dienste erlebt, und der Kauf von Frankaturwerten auf der Webseite von "PostNord" ist bereits weit verbreitet. Beim Kauf erhält der Kunde einen zwölfstelligen alphanumerischen Code, der auf Standard-Adressetiketten vom Typ Avery L7159 (63,5 x 33,9 mm) gedruckt werden kann. Alternativ kann der Code im selben 3-zeiligen Format auch handschriftlich auf einem Umschlag aufgeschrieben werden. Die gleichen Porto-Etiketten können auch am Schalter der dänischen Postämter gekauft werden (Abbildungen 3 und 4).
Leider weiß die Royal Mail im Vereinigten Königreich nichts von der Möglichkeit die 12-stelligen alphanumerischer Codes handgeschrieben zu vermerken. In diesem Beispiel (Abbildung 5) wurde der eingehende Brief als unbezahlt betrachtet und mit einer Gebühr von 5.00 GBP zu Lasten des Empfängers belastet.
Abbildung 5. Brief nach Grossbritannien mit dem handgeschriebenen 12-stelligen alphanumerischen Code "PostNord" und dem für Auslandssendungen obligatorischen Vermerk „Prioritaire". Die Gebühr vom 2. Oktober 2003 für «Nicht frankiert/gefälschte Marke» auf einem Brief oder Grossbrief wurde von 2.00 auf 5.00 GBP erhöht.
Die dänische Regierung und "PostNord" haben das Postwesen im Inland radikal verändert, und einige frühere Entscheidungen hatten auch Auswirkungen auf internationale Post. In der öffentlichen Debatte in Dänemark ging es auch um den Verlust der Rolle der Briefmarke als Kulturbotschafterin für dänische Geschichte, Künstler und die Kunst im Allgemeinen, den Tourismus und die Umwelt. Nationale Kampagnen wie Verkehrssicherheit und Gesundheit ebenso wie Wohltätigkeitskampagnen wurden auf dänischen Briefmarken, gefördert oder unterstützt. Die einzige Gedenkausgabe, die bisher für 2024 angekündigt wurde, ist die HAFNIA 24 (Abbildung 6), die internationale Briefmarkenausstellung in Kopenhagen, die vom 17. bis 20. Oktober stattfindet und ironischerweise das 400-jährige Jubiläum des dänischen Postdienstes feiert, der von Christian IV. am 24. Dezember 1624 gegründet wurde. Sie wurde am 2. Januar 2024 herausgegeben und enthielt nur Briefmarken für den Inlandsgebrauch. Die Einbeziehung von Briefmarken für das Ausland war aufgrund der Problematik der Mehrwertsteuer nicht möglich!
Abbildung 6. HAFNIA 24-Block
Der Leiter der Briefmarkenabteilung von "PostNord", Martin Pingel, sagt schließlich, dass 2024 neue Briefmarken herausgegeben werden sollen. Aber es scheint, dass ein privates Unternehmen den Kopf des Königs nicht auf seinen Briefmarken verwenden kann. Vielleicht war somit Königin Margarethe II die letzte Monarchin, die auf einer dänischen Briefmarke abgebildet war.
Ist dies ein Vorbote für andere Veränderungen? Dänemark ist ein kleines Land, etwa ein Zehntel so groß wie Frankreich, mit knapp sechs Millionen Einwohner. Es ist schwer vorstellbar, dass größere Länder das Gleiche tun könnten, aber es ist sicher, dass die dänische Reform von anderen Postdiensten und Regierungen genau beobachtet werden wird. Es sieht nicht gut aus für Briefmarken oder Philatelisten.
Sie Transit Gloria Mundi!
Referenzen
Dansk Filatelistisk Tidsskrift (6/2023); Linn's Stamp News online (2. Januar 2024); Pressemitteilungen von PostNOrd (2023 - 11-30 und 2023 - 06-28); Amtsblatt der Europäischen Union (Band 62, 9. August 2019); Copenhagen Economics(https://copehageneconomics.com/publication/a-new-stage-for-postalregulation-insights-from-recent-development-in denmark); Europäische Union: Factsheet zur digitalen öffentlichen Verwaltung 2022 Dänemark