Wer bezahlte die Posttaxe anno dazumal?

Liebe Leser, liebe Briefsammler,

wenn sich der Briefsammler mit Postgeschichte beschäftigt, so beschränkt er sich in der Regel auf denjenigen Teil, der die Beförderung von geschriebenen oder gedruckten Nachrichten in Form von Briefen anbetrifft. Der Transport dieser Nachrichten war seit jeher mit Kosten verbunden, er war gebührenpflichtig, portofreie Briefe hier einmal ausgeschlossen. Die Bezahlung der Gebühr, der Taxe oder des Portos war immer absolut notwendig, damit die Beförderungsanstalt, die Post, den Brief vom Absender entgegennahm, behandelte, beförderte und schliesslich dem Empfänger aushändigte. Ja, liebe Briefsammler, sind Sie sich der entscheidenden Bedeutung der Taxe, der Modalitäten ihrer Entrichtung und deren Darstellung auf dem Brief - in Form von Vermerken, Stempeln und später auch Briefmarken - voll und ganz bewusst? Von wem und auf welche Weise auch immer das Porto bezahlt wurde, ganz oder teilweise vom Absender oder vom Adressaten oder gar von einem Dritten, auf jeden Fall wurde der Brief - am Ende des Postweges angelangt - dem Empfänger erst ausgeliefert, wenn die volle Taxe entrichtet worden war.
Zur Zeit der Vorphilatelie , d.h. zu jener Zeit, als die Briefmarken noch nicht "erfunden" waren, wurden Briefe zum überwiegenden Teil "unfrankiert" versandt, was da hiess, dass das Porto vom Empfänger bezahlt wurde.* Es kamen ausnahmsweise auch "frankierte Briefe" (Frankobriefe) vor, bei denen das Porto sinngemäss bereits vom Absender bezahlt worden war. Im Auslandverkehr kamen noch weitere Varianten zur Anwendung, so z.B. die Bezahlung des Portos durch den Absender bis zur Grenze.

* Hansuli Sieber in SBZ 3/1977, S. 77


Mit der Einführung der Briefmarken, was mit dem Beginn der Philatelie gleichzusetzen ist, trat bei der Bezahlung der Taxe langsam ein Wandel ein, indem nach und nach vermehrt "frankiert" wurde. Aber aufgepasst! Im Postsprachgebrauch zur Zeit der ersten Briefmarken hiess das immer noch nur, dass das Porto vorausbezahlt worden war, unabhängig davon, ob die Marke in ihrer eigentlichen Funktion als "Frankoattest" oder Quittung auf dem Briefe klebte oder aber "barfrankiert" worden war. Wohl wurde auf den 1. Okt. 1850 im Inlandverkehr die "Frankierung durch Marken" eingeführt, jedoch wurden (vom Absender) ungenügend oder gar nicht frankierte Briefe weiterhin bis 1862 zur gleichen Taxe befördert wie frankierte; erst ab 1. Juli 1862 war ein Strafporto zu erheben bei allen Briefen, für welche nicht schon der Absender das volle Porto vorausbezahlt hatte. Der Wandel vollzog sich 1850 -61 langsam: so wurden 1850 nur 10 7c des Gesamtverkehrs vom Absender frankiert, 1861 ca. 35 %, hingegen 1863 - nach Einführung des Strafportos - bereits ca. 70 %. Im Auslandverkehr kamen bis zur Einführung des Weltposttarifes besondere, z.T. komplizierte Regelungen zur Anwendung, deren Darstellung an dieser Stelle zu weit führen würde, die aber in der Artikelfolge "Schweiz. Auslandposttaxen ab 1849" (Beginn in einer der nächsten Nummern) behandelt werden

Bis zur Juni-Nummer vor der NABA Züri 84 grüsst Sie

Ihr Hans R. Schwarzenbach