Rechtsmissbräuchliches Mitbieten an Auktionen ?
Das Schweizerische Bundesgericht hat am 12. Juli 1983 in einem umstrittenen Entscheid festgehalten, dass ein Einlieferer von Auktionsobjekten als Mitbieter den Steigerungswettbewerb verfälscht. Dabei handelt er zwar nicht rechtswidrig, verstösst aber doch gegen die guten Sitten. In diesem Beitrag sollen die Entscheidungsgründe dargelegt und kritisch erläutert werden.
Der fragliche Fall ereignete sich im Kunsthandel, könnte sich aber ebensogut an einer Briefmarkenauktion abgespielt haben. Die vorliegende Angelegenheit ist daher auch für Philatelisten von gewissem Interesse.
Dem erwähnten Urteil lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Händler lieferte einem bekannten Schweizer Auktionshaus diverse Stiche zur Versteigerung ein. Ein Liebhaber und Sammler ebensolcher Stiche zeigte dafür sehr grosses Interesse, was der Händler auf Umwegen erfuhr. Der Händler hatte somit "Insiderkenntnisse" erhalten, welche er prompt zu verwerten gedachte. Er nahm ebenfalls an der fraglichen Auktion teil und heizte die Versteigerung bei den betreffenden Losen heftig an, indem er den (zunächst ahnungslosen) Sammler in sog. Bietergefechte verwickelte. Durch dieses Vorgehen erreichte er, dass seine eingelieferten Stiche zu einem Mehrfachen des Schätzungspreises zugeschlagen wurden.
Doch dieser Sammler schöpfte Verdacht. Er hatte erfahren, dass der Eigentümer und Einlieferer dieser Stiche sich selber an der Auktion beteiligt hatte, und verlangte die Aufhebung des Zuschlages, indem er, gestützt auf Art. 230 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechtes, Klage beim Gericht einreichte. Der erste Absatz dieses Artikels hat folgenden Wortlaut: "Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden."
Die erste Instanz sah keinerlei rechtswidriges oder gegen die guten Sitten verstossendes Verhalten des Händlers.
Das Obergericht (als zweite Instanz) vertrat die Ansicht, dass das Mitbieten des Händlers i.S. von Art. 230 Abs. l OR rechtswidrig sei und hob dementsprechend das erstinstanzliche Urteil auf. Das Bundesgericht liess die Ansicht des Obergerichtes im konkreten Fall nicht gelten und führte aus, dass es zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Mitbietens einer entsprechenden Verbotsnorm bedurft hätte; eine solche finde sich jedoch weder im Bundes- noch im betreffenden Kantonsrecht. Auch könne von einer Übervorteilung des Käufers oder gar von einem Betrug nicht die Rede sein. Wenn jedoch ein Einlieferer und in der Regel Eigentümer der eingelieferten Ware, diese in der Absicht selbst wieder ersteigert, die Lose entweder nicht zu bezahlen oder durch unerlaubte Verrechnung die entsprechende Forderung zu tilgen, dürfte strafrechtlich relevantes Verhalten in Betracht fallen.
Hingegen beurteilte das Bundesgericht die Beteiligung des Händlers an dieser Auktion im vorliegenden konkreten Fall als gegen die guten Sitten verstossend.
Es ging von einer Verzerrung und Verfälschung der Steigerungs-Wettbewerbsverhältnisse durch das vorliegende Mitbieten des Eigentümers der eingelieferten und selbst mitersteigerten Lose aus. Art. 230 OR schützt analog z.B. zum Kartellgesetz oder zum Gesetz über den unlauteren Wettbewerb vor einer Veränderung jener Bedingungen, von denen die Versteigerungsteilnehmer ausgehen, wenn sie Angebot und Nachfrage realistisch beurteilen und daraus die Schlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen wollen (so das Bundesgericht).
In praktischer Hinsicht kann somit festgehalten werden, dass in der Regel ein gegen die guten Sitten verstossendes Verhalten angenommen werden kann, wenn nicht zu rechtfertigende ungleiche Bedingungen für die Bieter einer Auktion vorliegen. Dies ist gemäss Bundesgericht beispielsweise dann der Fall, wenn Personen mitsteigern können, die sich im Unterschied zu den übrigen Bietenden zum vornherein durch einen allfälligen Zuschlag nicht gebunden wissen. Diese Betrachtungsweise kann m.E. nicht als generell eingestuft werden, sondern rechtfertigt sich nur in Fällen, in welchen der Eigentümer der Lose diese um ein Vielfaches des Schätzungspreises hochtreibt, im Wissen, dass ein anderer Bieter diese Auktionsobjekte für einen bestimmten oder allenfalls um jeden Preis ersteigern will. Nützt der mitsteigernde Eigentümer dieses "Insiderwissen" zu seinen Gunsten aus, indem er die Lose bewusst und ohne anderen Grund auf ein nicht mehr marktkonformes Preisniveau hochtreibt, dann verstösst er damit gegen die guten Sitten.
Steigert jedoch ein Eigentümer mit, um z.B. für seine Lose einen marktkonformen Erlös zu erzielen, dann dürfte dieses Verhalten nicht gegen die guten Sitten verstossen. Einige Auktionsfirmen versteigern die Objekte "ohne Limit". Hier geht der Einlieferer tatsächlich ein Risiko ein, dass seine Objekte möglicherweise weit unter dem Marktwert verkauft werden. Er soll aus diesem Grunde die Möglichkeit haben, sein Auktionsgut selber wieder zu ersteigern, um eben zu verhindern, dass dieses zu einem billigen Preis versteigert wird. Dieses Vorgehen kann für ihn verhältnismässig kostspielig sein, wenn man bedenkt, dass Auktionsfirmen beispielsweise vom Einlieferer 10 — 20% Kommission und vom Käufer 15 % Aufgeld verlangen. Ist der Einlieferer mit dem Käufer identisch, kostet ihn das erwähnte Vorgehen rund einen Drittel des erzielten Preises, sofern nicht irgendwelche internen Abmachungen getroffen wurden.
Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Sachlage vom Gericht ganz anders hätte beurteilt werden müssen, wenn z.B. der Händler auftragsgemäss für einen Dritten an der Auktion mitgeboten hätte.
Im Fall, den das Bundesgericht zu beurteilen hatte, sah der Auktionsvertrag, welcher zwischen Einlieferer und Auktionsfirma geschlossen wurde (i.d.R. als sog. Einlieferungsbedingungen bezeichnet), vor, dass der Auftraggeber, der selber ein Objekt ersteigert, wie ein Dritter als Käufer zu betrachten sei. Dies ist grundsätzlich zulässig und auch üblich, doch müsste eine solche Vereinbarung auch den anderen Auktionsteilnehmern bekannt sein. Weil das nicht der Fall war, habe das Mitbieten des Händlers den Wettbewerb verfälscht, indem dies zwar intern vorgesehen war, den übrigen Steigerungsteilnehmern aber nicht in einer Form bekanntgemacht wurde, dass jedermann mit dieser Möglichkeit rechnen müsste.
Wie können nun solche unliebsamen Vorfälle verhindert oder zumindest erschwert werden? Für den Auktionator ist dies nicht immer ein leichtes, zumal er die Einlieferer nicht immer persönlich kennt und ein Eigentümer auch einen Dritten als Strohmann einsetzen kann, um den Preis seiner eigenen Lose in die Höhe zu treiben.
Wie im vorliegenden Fall soll aber in erster Linie verhindert werden, dass "Insiderwissen" von Dritten verwertet wird. Diesbezüglich gibt es für den Interessenten von Auktionslosen eine sehr einfache Regel zu beachten: Man schweige sich über seine Kauf- und Gebotsabsichten aus! Dies ist wohl der beste und einfachste Schutz, um zu verhindern, dass andere als "Spielverderber" auftreten können.
Abschliessend ist noch zu betonen, dass das Vorliegen einer sittenwidrigen Beeinflussung des Wettbewerbes weitgehend von den konkreten Gegebenheiten abhängt. Das vorliegende Bundesgerichtsurteil ist daher möglicherweise richtungsweisend, jedoch kaum als generell präjudiziell zu betrachten.